Jede fünfte Apotheke arbeitet im Notbetrieb Alexander Müller, 11.10.2016 10:04 Uhr
Kaum Gehör bei der Politik, ständig öffentlich diskreditiert von den Krankenkassen – doch die großen Alltagssorgen der Apotheker liegen ganz woanders: Immer häufiger berichten Inhaber von Schwierigkeiten bei der Personalsuche. Eine Umfrage von APOSCOPE, dem Panel von APOTHEKE ADHOC, zeigt, wie ernst das Problem Personalmangel ist – und was die Apotheker dagegen unternehmen.
Der Personalmangel ist in den meisten Apotheken bereits deutlich spürbar: 39 Prozent der Teilnehmer empfinden die Personalsituation als angespannt oder sehr angespannt. Für ein weiteres Drittel trifft dies zumindest teilweise zu. Dagegen empfindet nur jeder Vierte die Personalsituation nicht als angespannt.
In einigen Apotheken scheint die Situation geradezu gravierend zu sein: Fast 20 Prozent stimmten der Aussage vollkommen oder überwiegend zu, in ihrer Apotheke werde bereits im „Notbetrieb“ gearbeitet. Knapp die Hälfte der befragten Panelisten sind PTA. Von ihnen sieht sogar jede vierte ihre Apotheke im Notbetrieb.
Und es ist offenbar nicht leicht, Abhilfe zu schaffen: Laut der Umfrage unter insgesamt 466 teilnehmenden Panelisten gelingt es nur in jeder fünften Apotheke, offene Stellen schnell wieder zu besetzen. 46 Prozent haben dagegen Probleme bei der Suche.
Dafür schaffen es die Inhaber meistens noch recht gut, vorhandenes Personal zu binden: Eine Mehrheit gibt an, dass es wenig Fluktuation im Team gibt. Allerdings wollte rund jeder Fünfte dieser Aussage nicht zustimmen. Bei allen Fragen zum Personal schätzen die befragten PTA die Situation im Durchschnitt etwas kritischer ein als die Apotheker.
Die Stimmung im Team scheint in den meisten Fällen unter der angespannten Personaldecke noch nicht zu leiden: Immerhin 47 Prozent bezeichneten die Stimmung als gut, weitere 13 Prozent sogar als sehr gut. Ein Drittel findet die Stimmung ausgewogen, etwas mehr als 5 Prozent schlecht oder sehr schlecht.
Der Personalmangel spiegelt sich auch in den Einkommensverhältnissen wider. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der angestellten Approbierten wird laut Umfrage über Tarif bezahlt, weitere 6 Prozent erhalten zusätzlich leistungsorientierte Boni oder sonstige zusätzliche Leistungen. Letztere reichen vom Zuschuss zur betrieblichen Altersvorsorge oder Kinderbetreuung über Mobiltelefone bis hin zur Kostenübernahme für Rückenmassagen. Zentral ist auch das Thema Mobilität: Fahrtgeld, Tankgutscheine oder sogar ein Dienstwagen springen für die gefragten Approbierten öfter heraus.
Bei den PTA sieht es ähnlich aus: 45 Prozent erhalten einen Lohn oberhalb des vereinbarten Tarifvertrags, weitere 35 Prozent bekommen immerhin Tariflohn. Ein kleiner Teil wird auch in dieser Berufsgruppe mit zusätzlichen Bonifikationen gelockt. Etwas schlechter sind die PKA gestellt: Hier erhält nur knapp jede Dritte mehr als das Tarifgehalt. Allerdings konnte bei dieser Frage auch jeder vierte Befragte keine Angabe machen. Tatsächlich ist aus der Praxis immer wieder zu hören, dass PKA bei der Personalplanung ganz eingespart werden und PTA ihre Aufgaben mit übernehmen.
Viele Inhaber tun darüber hinaus etwas für ihre Mitarbeiter: Weihnachtsgeld wird in 78 Prozent der Apotheken gezahlt. In drei von vier Apotheken gibt es Inhouse-Schulungen, in gut jedem dritten Betrieb wird auch externe Fortbildung auf die Arbeitszeit angerechnet. In fast jeder zweiten Apotheke gibt es zudem öfter Teammeetings, in jeder dritten sogar gemeinsame Ausflüge. Regelmäßige Personalgespräche bietet der Chef in ebenfalls fast jeder dritten Apotheke an.
Um dem Personalmangel zu begegnen, würden Apotheker weit gehen und dabei vor allem finanzielle Anreize schaffen: Die Hälfte würde „deutlich über Tarif“ zahlen, 45 Prozent geldwerte Vorteile bieten. 15 Prozent würden Angestellte mit mehr Urlaubstagen locken. Nur eine Minderheit von 2,5 Prozent würde einen angestellten Approbierten dagegen an der Apotheke beteiligen und gemeinsam mit ihm eine offene Handelsgesellschaft (OHG) gründen.
Personalmangel hin oder her – der Chef ist offenbar längst nicht immer Vollzeit in seiner Apotheke zu finden. Zwar gaben 35 Prozent an, mehr als 40 Stunden in der Woche in der Offizin zu stehen. Allerdings gaben auch fast 23 Prozent zu, weniger als 20 Stunden pro Woche in der Apotheke mit zu arbeiten. Fragt man die PTA, sind es sogar 26 Prozent. Diese Zahlen sind vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass Arbeitsverträge für Filialleiter von den Aufsichtsbehörden in der Regel nur genehmigt werden, wenn mindestens 35 Arbeitswochenstunden vereinbart sind – mit Blick auf die persönliche Leitung der Apotheke.
Um den Mangel gerade an Approbierten auszugleichen, ist immer wieder eine Stärkung der PTA im Gespräch. Die Meinungen der unterschiedlichen Berufsgruppen gehen in dieser Frage jedoch auseinander. Während 74 Prozent der PTA zusätzliche Kompetenzen für ihren Berufsstand als probates Mittel gegen den Personalmangel ansehen, stimmte dieser Aussage nur knapp 24 Prozent der Apotheker zu. 36 Prozent von ihnen lehnen diesen Vorschlag dagegen ab.
Ein Bachelor-Abschluss als Alternative halten die Apotheker allerdings auch für kein probates Mittel: 65 Prozent sind strikt, weitere 16 Prozent eher dagegen. Positiv äußern sich dagegen nur knapp 8 Prozent. Die PTA sind dem Vorschlag gegenüber aufgeschlossener: 32 Prozent finden den Bachelor-Abschluss als Maßnahme geeignet, aber auch hier sind mit 39 Prozent die meisten dagegen.