ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

pDL-Verbot: Medikationsanalysen aus dem Untergrund

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Berlin -

Pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) sind ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal der Apotheken vor Ort im Kampf gegen die großen Versender – sagen Apothekenteams. Viele Ärzt:innen sehen sich und ihre Kompetenzen gerade durch Medikationsanalysen in Frage gestellt. Soweit, so bekannt. Nachdem ein Arzt sich derart in seinem Kompetenzbereich verletzt fühlte, dass er sogar seine Patient:innen anschrie, zogen die Verantwortlichen Konsequenzen und verboten die pDL. Apothekenteams leisten seitdem erbitterten Widerstand.

Silke Meyer ist wieder mit ihrer Apothekerin verabredet. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch betritt sie die kleine saarländische Apotheke im Nirgendwo; denn das, was jetzt gleich passieren wird, ist seit Kurzem absolut illegal.

Meyers Apothekerin gehört einer Untergrundbewegung an: pDL mögen zwar verboten sein, aber das hält gewissenhafte Apotheker:innen noch lange nicht davon ab, liebgewonnenen Stammkund:innen den Blutdruck zu messen, überrumpelten Neu-Asthmatiker:innen die Funktion ihres Inhalationsgeräts zu demonstrieren oder – Achtung, jetzt kommt der kritischste Punkt – die von Ärztinnen und Ärzten verordnete Dauermedikation auf Fehler hin zu überprüfen.

Am HV sagt Frau Meyer zur PTA mit fester Stimme: „Hallo, mein Abszess muss behandelt werden.“ Man will ja schließlich keine Aufmerksamkeit durch Tuscheleien auf sich ziehen. Am Ende weiß man nie, ob eine Ärztin oder ein Arzt in der Warteschlange steht und die Durchwahl zur Behörde drückt. Doch die Aktion geht gut, die Fachkraft weiß sofort Bescheid. Denn Frau Meyers Satz enthält das entscheidende Codewort, das unauffällig an die abgekapselte Eiteransammlung im Gewebe erinnert. „Apszess“ ist das Akronym für die Geheimgesellschaft „Apothekenteams machen trotzdem pDL, so weit kommt’s noch, das ist auch unsere Kompetenz und außerdem lassen wir uns die 90 Euro nicht entgehen.“

Ein Kampfbegriff, wie er treffender nicht sein könnte: Völlig rebellisch, absichtlich falsch geschrieben und ein groteskes, beinahe fäulniserregendes Zeichen des Widerstands. Immerhin wurden die Berufe des Arztes und des Apothekers erst 1240 per Gesetz eindeutig voneinander getrennt – zuvor übte oft ein und dieselbe Person die Dienste aus. Seitdem kleben Apotheker:innen mit ihrer Fachkompetenz wie ein pochendes, nerviges Geschwür am Ärztestand, stets bereit, als letzte Instanz vor der Einnahme jede unerwünschte Arzneimittelinteraktion auszumerzen und die richtige Einnahme zu garantieren.

Die PTA bittet ihre Kundin diskret in den Beratungsraum. Blutdruckmessgeräte, Inhalationsgerätedummys oder gar ein Medikationsplan sind hier natürlich nicht zu finden – man könnte ja auf die geheimen Machenschaften schließen. Die Mitarbeiterin führt Meyer weiter durch die verwinkelte Apotheke – bis zu einer ominösen Tür. Sie klopft ihrer Kundin auf die Schulter, nickt ihr mit ernstem Blick zu und öffnet dann die Tür.

Eine lange staubige Treppe führt hinab in den Apothekenkeller. Unten angekommen tastet sich Frau Meyer langsam vorwärts, viel Licht gibt es hier nicht. Doch am Ende des Ganges scheint ein fahles, flackerndes Licht, das sie anzieht. In einem kleinen, engen und staubigen Raum sitzt sie, die zertifizierte Apothekerin. Aus ausrangierten Großhandelskisten hat sie sich einen Arbeitsplatz gebaut. Zwischen aussortierten Dokumentationsordnern und Kartons voll aktivierter Handwärmer aus dem letzten Winter seilen sich Hauswinkelspinnen ab. Tageslicht gibt es hier nicht – es wäre viel zu gefährlich, durch ein Fenster beobachtet werden zu können. Nur eine alte Bürolampe wirft ein fahles, gelbliches Licht in den Raum.

„Medikationsanalyse?“, fragt die Apothekerin verstohlen, während im Hintergrund die sanierungsbedürftigen Heizungsrohre gluckern. Im Hintergrund kann Frau Meyer eine Kiste mit Blutdruckmess- und Inhalationsgeräten erspähen; als ihr Blick darauf fällt, schiebt die Apothekerin schnell einen Stapel verblasster Rätselhefte darüber, so, als hätte ihre Kundin gerade etwas absolut Verbotenes entdeckt. „Ja, ich bin immer so müde. Ich nehme Mirtazapin und meine Hausärztin ...“ – abrupt und vehement hält die Apothekerin ihren Finger mahnend vor ihre Lippen „Psst! Nicht so laut!“

Tatsächlich hat erst kürzlich ein Arzt unter Beweis gestellt, wie empfindlich er sich in seinem Kompetenzbereich gestört fühlte, als er einen Patienten lautstark zurechtwies, weil dieser eine von der Apotheke durchgeführte Medikationsanalyse in die Praxis brachte. Dabei dürften sich Ärzt:innen eigentlich gar nicht beschweren; Inhaber:innen wie Dr. Thomas Meyer von der Kreuz-Apotheke in Seelze kürzen sogar ihre Mittagspause, um schnell auf Änderungen der Praxen zu reagieren.

Dass Apotheker:innen mit Rebellion durchaus erfolgreich sein können, zeigt das Beispiel von Christopher Hummel aus Bayern. Er kritisierte öffentlich die Steuerpraktiken ausländischer Versender als „Schmarotzer unseres Systems“. Redcare klagte auf Unterlassung, scheiterte jedoch vor dem Landgericht München II, das die Äußerungen als zulässige Meinungsäußerung einstufte. Doch nicht alle können sich lautstark zur Wehr setzen: Ein syrischer Apotheker ist bereits zweimal bei der Kenntnisprüfung durchgefallen, obwohl seine Leistungen als gut attestiert wurden. Viele ausländische Kollegen berichten von ähnlichen Erfahrungen und vermuten eine systematische Benachteiligung, insbesondere durch einen bestimmten Prüfer in Düsseldorf. Das weist die zuständige Bezirksregierung jedoch zurück.

In diesem Sinne: Ein schönes Wochenende!

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