In der MediosApotheke an der Charité freut man sich über die Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL). In der auf onkologische, neurologische uns seltene Erkrankungen spezialisierte Apotheke werden bereits regulär Medikationsanalysen und Nebenwirkungschecks durchgeführt. „Nun wird unsere Leistung auch vergütet, das ist toll und ein sehr guter Anfang“, freut sich Apothekerin Friederike Schuster, Apothekerin der Fachabteilung Onkologie.
Um die pharmazeutischen Dienstleistungen jedoch für alle potenziellen Patient:innen anbieten zu können, müsste das pro Quartal zur Verfügung stehende Budget von 1000 Euro weiter ausgebaut werden. „Aktuell wissen wir ja weder, wie viele Apotheken die Dienstleistungen in welchem Umfang anbieten werden, noch wie gut das Angebot seitens der Patient:innen angenommen wird.
Die Apotheker:innen der Fachabteilung Onkologie verfügen bereits über die benötigte Fortbildung und könnten direkt mit der Medikationsanalyse starten. „Diese Art des Kontaktes zu unseren Patient:innen ist nichts Neues für uns. Medikationsanalysen und auch Nebenwirkungs-Checks bieten wir bereits an. Natürlich ist es da toll, dass diese Leistung auch endlich honoriert wird“, so Schuster. Ob 90 Euro ausreichend sind, könne man jedoch nicht allgemeingültig beantworten. „Die klassischen Patient:innen mit Blutdruckmitteln und Cholesterinsenkern kann man sicherlich schneller und routinierter beraten als Personen, die eine seltene neurologische Erkrankung haben und teilweise bis zu 20 Mittel täglich einnehmen.“
Neben den Rx-Medikamenten würden viele Erkrankte auch zu Nahrungsergänzungsmitteln greifen und bräuchten zudem ja auch eine OTC-Beratung für den Fall, dass es mal zu Erkrankungen kommt, die per Selbstmedikation behandelt werden können. „Ich denke, wenn man sowohl die Vor- als auch die Nacharbeit mit einberechnet, werden 80 Minuten nicht bei jedem Patienten/jeder Patientin ausreichen“, gibt Schuster zu bedenken.
Sicherlich werden die Apotheker:innen bei ihren Analysen von guter Software unterstützt, doch diese hat auch Lücken. Das sei ähnlich wie bei den Programmen zur Plausibilitätsprüfung von Rezepturen: Ab einem gewissen Punkt müsse man eben sein pharmazeutisches Verständnis mit einfließen lassen. Und da, wo einem etwas komisch vorkomme, werde eben noch einmal recherchiert. „Wir dürfen auch nicht vergessen, dass diese Programme ihre Grenzen haben. So können Rezepturen, die von den Betroffenen eingenommen werden, da kein passendes Fertigarzneimittel verfügbar ist, nicht im System berücksichtigt werden“, erklärt die Apothekerin. Und wenn eben noch freiverkäufliche Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel dazu kommen, dann werde die Beratung sehr komplex. „Von daher weiß ich nicht, ob man die angedachten 80 Minuten tatsächlich immer einhalten kann.“
Dennoch seien die pharmazeutischen Dienstleistungen ein positives Signal. Viele Apotheker:innen in der MediosApotheke würden sich auf die neue Aufgabe und die damit einhergehende Verantwortung freuen. „Wir sind bereits Athina-zertifiziert und freuen uns natürlich nun, dass wir das Angebot auf die Onkologie ausweiten können.“ Apotheken können onkologischen Patient:innen die „Pharmazeutische Betreuung bei oraler Antitumortherapie“ einmalig anbieten. Die Besonderheit: Anders als bei der allgemeinen Medikationsanalyse haben Apotheken bei Krebspatient:innen zusätzlich die Möglichkeit, einen erneuten Termin für ein Gespräch bereits zwei bis sechs Monate im Anschluss an das Erstgespräch zu vereinbaren. Für die Hauptberatung können 90 Euro, für den Folgetermin 17,55 Euro abgerechnet werden.
„Ich sehe Chancen und Herausforderungen auf die Apotheken zukommen. Denn die Verbindung zwischen Ärzt:innen, Apotheker:innen und Patient:innen kann intensiviert und verbessert, aber auch komplizierter werden, gibt Schuster zu bedenken. Während einige Ärzt:innen super aufgeschlossen gegenüber Hinweisen von Apotheken seien, gebe es eben auch die Mediziner:innen, die sich lieber auf ihre Erfahrung und ihren eigenen Wissensstand stützen. Als Fachärzt:innen sind sie von ihren Praxisbeispielen überzeugt. „Nicht alle Ärzt:innen arbeiten streng nach Leitlinie. Das liegt daran, dass diese Jahre bestehen und nicht immer dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen. Viele Fachärzt:innen sind da viel tiefer drin als wir und wissen über die neuesten Studien und eben über die Fälle in der Praxis besser Bescheid.“ Da müsse man in einen intensiven Dialog gehen.
„Daher braucht es fortlaufend regelmäßige AMTS-Fortbildungen, wie sie beispielsweise von den Kammern angeboten werden, damit wir Apotheker:innen immer auf dem aktuellen Stand sein können und nicht Gefahr laufen, ungewollt und unberechtigt den Erfahrungen und dem Wissen der Ärzt:innen entgegenzustehen. Das ist sicherlich ein Grundstein für die Kommunikation der Professionen auf Augenhöhe und für die gute Ergänzung beider im Sinne der Patient:innen(sicherheit).“
Auch auf Seiten der Patient:innen könnte sich etwas ändern, die Apothekerin beschreibt es so: „Die Arzt-Patienten-Beziehung ist ganz individuell. Nicht selten bekommen wir aber zu hören, dass sich die Patient:innen nicht auf Augenhöhe mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin fühlen. Das schränkt den Therapieerfolg mitunter ein. Patienten und Patientinnen beschreiben uns, dass es ihnen leichter fällt, über ihre Krankheit, Therapie und auch über ihre Nebenwirkungen zu sprechen, nachdem sie einen Bericht aus der Medikationsanalyse erhalten haben.“
Genauso könne es aber dazu kommen, dass der Bericht zu Unsicherheiten bei dem/der Patient:in führen kann. „Prinzipiell müssen wir uns auch Gedanken über das mögliche Risiko machen, dass Patient:innen ihre Medikation eigenmächtig auf Grund erkannter Risiken ändern, insbesondere wenn sie einem direkten Austausch – Stichwort: Entbindung von der Schweigepflicht – zwischen Ärzt:innen und Apotheker:innen nicht zustimmen. Da braucht es seitens der Apotheker:innen viel Feingefühl und eine gute Kommunikation, die neben den Benefits auch klar die Grenzen der Medikationsanalyse erklärt. Das Arzt-Patienten-Vertrauen und die Wirksamkeit der Therapie dürfen nicht beeinträchtigt oder gefährdet werden.“ Das müsse unter allen Umständen vermieden werden. Somit müsste die Apotheke eigentlich eine zeitnahe Rückmeldung über den Eingang des Berichtes vom Arzt/von der Ärztin erhalten.
Groß bewerben wird die MediosApotheke die Dienstleistung zu Beginn nicht. Das Team möchte zum einen erst einmal selbst Erfahrungen sammeln und zum anderen schauen, wie viele Apotheken insgesamt die Dienstleistungen anbieten. Denn: Je mehr Apotheken sich beteiligen, desto weniger Geld bleibt an Ende übrig. Kombiniert mit den Priorisierungen fallen die Blutdruckmessung und das Üben der Devices bei Asthma und COPD hinten runter.
Und die MediosApotheke hat noch ein ganz praktisches Problem: Sollten die Dienstleistungen ausschließlich in Präsenz erfolgen dürfen, wäre die vorhandene Beratungsecke an einigen Tagen für längere Zeit nicht verfügbar. Weitere Leistungen wie das Anmessen von Kompressionsstrümpfen müsste zu anderen Zeiten erfolgen – ein Terminmanagementsystem wird unter Umständen unerlässlich, fügt Schuster hinzu. Und das spontane Nutzen der Beratungsecke, beispielsweise für Blutzuckermessungen oder intimere Beratungsthemen, ist unter Umständen nicht möglich. Hier will die Apotheke aber eine gute Lösung finden, so dass alle Patient:innen optimal versorgt werden können und keiner warten muss.
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