Für die drei pharmazeutischen Dienstleistungen Polymedikation, Organtransplantation und Onkologie müssen Apotheker:innen nur eine Fortbildung absolvieren – „Medikationsanalyse, Medikationsmanagement als Prozess“ . Die auf Polymedikation ausgelegte Veranstaltung befähigt dazu, auch die anderen beiden Dienstleistungen abzurechnen. Dabei werden diese nach initialer Beratung weitaus schlechter vergütet – bei sicherlich gleichbleibenden Beratungsaufwand. Nicht selten nehmen Organtransplantierte mehr als fünf Arzneimittel oder eben eine wechselnde Medikation ein.
In der Apotheke kommt man mit Organtransplantierten eher selten in Kontakt. Meist beschränkt sich dieser auf Apotheken, die in der Nähe einer größeren Klinik liegen. Grund für den seltenen Beratungsbedarf ist sicherlich die übersichtliche Anzahl an Operationen pro Jahr. So werden in Deutschland jährlich rund 2000 Nierentransplantationen vorgenommen. Bei Lunge und Leber sind die Zahlen noch niedriger.
Apotheker:innen sind also in der Beratung häufig nicht routiniert. Dabei erfordert diese Patientengruppe besondere Aufmerksamkeit. Immunsuppressiva sorgen zwar dafür, dass das Organ nicht abgestoßen wird und im schlimmsten Fall wieder entnommen werden muss, doch weisen die Arzneistoffe auch zahlreiche Nebenwirkungen auf. Mit einem Immunsuppressivum ist es dabei meist nicht getan: Oftmals wird ein Cocktail aus verschiedenen Arzneimitteln verabreicht. Bei der Lungentransplantation etwa erhalten die Empfänger:innen über Monate Antibiotika, um Komplikationen zu vermeiden, und auch eine Cortison-Therapie gehört meist zur regulären Versorgung. Nicht alle Medikamente müssen ein Leben lang genommen werden – die Anzahl an täglich einzunehmenden Präparaten kann sich also verringern. Zu Beginn übersteigt die Anzahl einzunehmender Präparate häufig die Zahl vier.
Ab fünf Präparaten kann die Apotheke eine Polymedikationsanalyse anbieten. Diese kann mit 90 Euro abgerechnet werden. Die initiale Beratung organtransplantierter Personen wird ebenfalls mit 90 Euro vergütet. Lediglich die Folgeberatung wird mit einem geminderten Betrag von 17,55 Euro abgerechnet. Die „erneute auf die ambulante immunsuppressive Therapie zugeschnittene Beratung in Form eines semistrukturierten Gesprächs“ kann zwei bis sechs Monate nach dem Medikationsmanagement durchgeführt werden. Abgerechnet wird die Leistung mit der Priorität 1.
Somit erfolgt die Abrechnung auch über die Sonder-PZN für die „erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“: 17716808. Die erneute Beratung wird mit der Sonder-PZN 17716814 abgerechnet. Nach Ablauf der 12 Monate zur Erstberatung kann erneut eine Medikationsanalyse durchgeführt werden.
Übrigens: Anders als bei einer normalen Polymedikations-Analyse sollten die Patient:innen darauf hingewiesen werden, dass die im Kühlschrank zu lagernden Medikamente nicht mit in die Apotheke gebracht werden sollen. Die Arzneimittelqualität würde unnötig beeinflusst werden. Medikationspläne und Notizen über die einzunehmenden Medikamente reichen aus.
Alleine die Erfassung der aktuellen Gesamtmedikation geht auf folgende Punkte ein: Interaktionen und Nebenwirkungen, Kontraindikationen für OTC-Arzneimittel in der Selbstmedikation und welche Erkrankungen überhaupt ohne einen Arzt behandelt werden können, Doppelmedikation, ungeeignetes Dosierungsintervall und Anwendungszeitpunkt, Darreichungsformen, fehlende Complianxe, Über- und Unterdosierungen sowie Lagerung. Je nachdem, wie umfangreich die bestehende Medikation und wie gut das Vorwissen des/der Patient:in ist, kann der auszufüllende Bogen schneller oder langsamer durchgearbeitet werden. Der Vergütung in Höhe von 90 Euro wurde ein zeitlicher Aufwand von 80 Minuten zugrunde gelegt. Als Richtwert gilt also eine Beratung von über einer Stunde.
Für die speziellen Herausforderungen für Organtransplantierte wurden keine zusätzliche Zeit mit einkalkuliert. Ciclosporin, Tacrolimus & Co. müssen also ebenfalls in dieser Zeit erläutert werden. Dabei sind es eben genau diese Wirkstoffe, mit denen Apotheker:innen im Berufsalltag eher selten in Kontakt kommen. Zudem verfügen Calcineurinhemmer über zahlreiche Wechselwirkungen. Die Fortbildung zur Freigabe für die Polymedikation thematisiert Wechselwirkungen und Kontraindikationen für alle Wirkstoffgruppen.
Die vorgeschriebene Erarbeitung möglicher Lösungen für arzneimittelbezogene Probleme und dessen Umsetzung in Absprache mit dem/der Patient:in und unter Umständen auch dem behandelnden Arzt/der behandelnden Ärztin ist zeitlich dabei eher schwer abzuschätzen.
APOTHEKE ADHOC Debatte