Paxlovid-Prozess: BMG-Zeugin darf nicht über Preis sprechen Sandra Piontek, 14.11.2024 07:14 Uhr
Überraschende Wende im Paxlovid-Prozess: Vor dem Landgericht Berlin (LG) teilte eine Mitarbeiterin des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) mit, dass sie eine eingeschränkte Aussagegenehmigung erhalten habe. Damit bleibt der Einkaufpreis des Corona-Medikaments unklar – und damit auch der Schaden, den der Apotheker durch den illegalen Verkauf verursacht haben soll.
Apotheker Michael S. wird zur Last gelegt, dass er an sechs verschiedenen Tagen zwischen dem 2. und dem 12. Januar 2023 große Mengen des Corona-Medikaments Paxlovid an einen unbekannten Abnehmer verkauft zu haben. Die Anklage lautet konkret: Untreue in besonders schwerem Fall und Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz (AMG). Zum Verkauf an sich bekennt der Apotheker sich schuldig. Er habe aber nicht gewusst, dass der Bund einen Eigentumsvorbehalt geltend gemacht habe.
Heute wurde dazu eine Mitarbeiterin aus dem Referat 117 als Zeugin befragt. Mit der Beschaffung selbst habe sie nichts zu tun gehabt, da sie erst nach den genannten Vorfällen ihr Amt im Ministerium aufgenommen habe. Bei der Erstellung der Strafanzeige habe sie zwar mitgewirkt, dürfe aber aufgrund von einer eingeschränkte Aussagegenehmigung keine konkreten Auskünfte zum Erwerbspreis geben, so die Zeugin. Die Verteidigung wollte sich damit nicht zufrieden geben und merkte an, dass der Preis von 665 Euro pro Packung doch bereits öffentlich bekannt sei. Man beantragte hierzu ein offenes Rechtsgespräch.
Großhandel verwies nur auf Verfall
In der weiteren Befragung gaben die drei Angestellten von S. einheitlich an, dass die rechtliche Lage unklar gewesen sei. Man habe versucht, den täglichen Informationsfluss aufrecht zu erhalten, sei aber mit den manchmal täglich wechselnden Bestimmungen in der Corona-Pandemie nicht immer hinterhergekommen. Die PKA bestätigte die Aussage des Apothekers, dass der Großhändler regelrecht zur Abnahme vieler Packungen Paxlovid gedrängt habe. Sie habe den Auftrag von ihrem Chef bekommen, sich zu erkundigen, ob und in welcher Menge sie Paxlovid über den Großhandel beziehen könne. „Sie können auch noch mehr bestellen, so viele wie sie wollen“, soll es auf Nachfrage geheißen haben. Lediglich auf den kurzen Verfall sei man im Rahmen der Bestellung hingewiesen worden, so die Angestellte. Daraufhin habe sie zunächst eine Bestellung über 200 Packungen aufgegeben.
Auch der genaue Wert pro Packung sei der Angestellten nicht bekannt gewesen. „Dieser wurde erst später eingepflegt“, erklärte sie. „Auf der Rechnung vom Großhandel waren pro Packung 20 Euro angegeben.“ Die enorme Bestellmenge ihres Chefs habe sie nicht weiter hinterfragt, so die PKA. Auch das die Kisten am nächsten Tag weg waren, sei ihr nicht weiter aufgefallen. „In der Zeit wurde viel bestellt, beispielsweise viele Masken und Coronatests.“
Ein „Riesenaufwand“ sei dann schlussendlich die Retoure der vielen bereits verfallenen Packungen gewesen. „Der Chef kam zu mir und sagte, er könne die Packungen nicht mehr verkaufen“, erklärt die PKA. Der Inhaber habe 700 Paxlovid-Schachteln retournieren wollen. „Dadurch ist der Apotheke ein Schaden entstanden.“
Zum nächsten Verhandlungstermin wurde von der Verteidigung um Vorladung eines Noweda-Außendienstmitarbeiters gebeten. Dass der Eigentumsvorbehalt sowohl dem Inhaber als auch seinen Angestellten zum Tatzeitpunkt nicht bekannt war, soll durch den Vertreter nochmals untermauert werden. Denn die Annahme liege nahe, dass dies auch bei der Noweda nicht bekannt gewesen sei. Eine Entscheidung wurde durch das Gericht noch nicht getroffen.
Man werde jedoch einen Pharmaökonomen um ein Gutachten zum Sachwert des Medikaments bitten. Da für Paxlovid nur ein „äußerst schleppender Absatz“ verzeichnet werden konnte, bleibe die Frage offen, ob der Bundesregierung überhaupt ein Schaden entstanden sei, so die Verteidigung.