Patient verstorben: Kasse lässt Apotheke sitzen Sandra Piontek, 13.10.2023 10:34 Uhr
Hilfsmittel ohne passende Hilfsmittelnummer abzurechnen, ist in vielen Apotheken derzeit ein Problem. Denn nach der Umgruppierung beziehungsweise Neuordnung von Produktgruppen sind viele Fragen offen. Zudem laufen die Verfahren bei jeder Krankenkasse anders. Felix Maertin, Inhaber der Rhein-Apotheke in Karlsruhe, ärgert sich: „Wir wollten einen Palliativ-Patienten mit einem Vaporisator versorgen. Die AOK genehmigte das Hilfsmittel vorerst, weigert sich aber nun, den vollen Betrag zu erstatten.“ Besonders tragisch: Der Patient ist bereits verstorben und der Inhaber bleibt auf einem Teil der Kosten sitzen – es sei denn, er nimmt Kontakt mit den Hinterbliebenen auf.
Für den schwerkranken Patienten hatte eine Arztpraxis als Hilfsmittel einen Vaporisator verordnet, mit dem das Inhalieren von Cannabis zur Schmerzlinderung ermöglicht werden sollte. Da das Hilfsmittel keine zugehörige Hilfsmittelnummer hat, diese aber zur korrekten Abrechnung bei der Krankenkasse benötigt wird, fragt Maertin bei der AOK Baden-Württemberg nach: „Zunächst war Eile geboten, denn dem Patienten ging es schlecht, er sollte schnellstmöglich versorgt werden. Die Sachbearbeiterin schlug vor, eine sogenannte Fake-Nummer auf das Rezept zu drucken, da dem ursprünglichen Artikel keine Hilfsmittelnummer zugeordnet war“, so der Apotheker.
Abgelehnt, da falsche Leistung
Die Kasse lehnte die Erstattung des Betrages dann aber trotzdem mit der Begründung ab, verordnete und abgerechnete Leistung stimmten nicht überein. Der Versicherte sei zudem informiert worden, hieß es im Ablehnungsbescheid. Es folgte ein erneuter Anruf durch die Apotheke: „Es war dieselbe Sachbearbeiterin am Telefon. Ich erklärte abermals, dass es dringend sei, dass der Vaporisator keine Hilfsmittelnummer habe und dass man deswegen empfohlen habe, eine von der Kasse ausgedachte Nummer einzutragen“, so Maertin.
Die Sachbearbeiterin stellte die Genehmigung in Aussicht und nannte eine Hilfsmittelnummer, die die Apotheke für die Abrechnung nutzen sollte. „Man bewilligte uns die Kostenübernahme von 455,59 Euro. Das war Anfang Juli“, so der Apotheker.
Doch jetzt, „drei Monate nach erbrachter sowie genehmigter Versorgung“ wollte die Kasse plötzlich davon nichts mehr wissen. Die Hilfsmittelnummer sei Pennadeln zugeordnet; dem Apotheker hätte auffallen müssen, dass damit der „Vaporisator“ nicht abgerechnet werden kann. Maertin ist außer sich: „Ich schaue doch nicht alle Genehmigungen bis ins Detail durch – vor allem, wenn wir mehrfach mit der Kasse zu diesem Vorgang telefoniert haben. Genehmigt heißt für mich genehmigt und Punkt“, so der Apotheker.
Restbetrag nicht erstattet
Die AOK verweigert die Erstattung des vollen Betrages: „ Wir erhielten ein Schreiben, in dem uns mitgeteilt wurde, dass die Kasse nur 347,93 Euro übernimmt. Das heißt, ich bleibe jetzt einfach auf dem Restbetrag von rund 107 Euro sitzen“, ärgert sich der Apotheker. Besonders unangenehm: „Der Patient ist traurigerweise bereits verstorben. Um an mein fehlendes Geld zu gelangen, müsste ich jetzt die Hinterbliebenen belästigen, das ist doch unerhört.“
Die Apotheke trage eine Teilschuld, denn sie habe die Pen-Kanülen in der Abrechnung akzeptiert, erklärt Maertin die Argumentation der Kasse. Dabei hätten nachweislich mehrere Mitarbeiter wiederholt nachgefragt, wie korrekt abzurechnen sei. „Wir haben mit mindestens drei Sachbearbeiterinnen telefoniert, um diese Hilfsmittelnummer rauszubekommen. Auch auf Bitte, uns eine korrekte Nummer mitzuteilen, mit der wir abrechnen können, vertröstete man uns mit der Hilfsmittelnummer der Pen-Kanülen“, so der Inhaber.
Ihm sei versichert worden, dass die Kasse die Genehmigung erteile, wenn er „einfach diese Penkanülen-Hilfsmittelnummer nehme“. Und die Sachbearbeiter:innen wüssten durch die zahlreichen Telefonate, um welchen Artikel es gehe. „Es ist einfach ärgerlich und so absurd, den Betrag im Nachhinein zu kürzen.“ Für weitere Klärung wurde von Maertin auch der Verband eingeschaltet: „Dieser hatte zwar mit der Abteilungsleitung den direkten Kontakt gesucht, aber keine Korrektur erreicht.“
Für klärende Gespräche bereit
Die AOK erklärt auf Nachfrage, dass sie die Kosten für Vaporisatoren übernimmt, wenn „das Cannabis-Arzneimittel bereits genehmigt wurde, eine gesonderte ärztliche Verordnung für den Vaporisator vorliegt und es sich um ein zertifiziertes Medizinprodukt handelt“. Zudem benötige man einen Kostenvoranschlag, „um zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind“, so ein Sprecher. Für klärende Gespräche sei man bereit, „wenn seitens einer Apotheke und uns unterschiedliche Interpretationen darüber bestehen, ob alle Voraussetzungen erfüllt sind“.