Die Stadtverwaltung in Lindau will die kostenlosen Parkplätze im Zentrum des Stadtteils Aeschach abschaffen. Das trifft auf heftige Kritik der dort ansässigen Geschäftsleute und Ärzte. Dr. Stefan Rösler, dessen Apotheke ebenfalls betroffen ist, kämpft für den Erhalt der Parkmöglichkeiten. Stadtrat Thomas Zipse meint dagegen, etwaige wirtschaftliche Probleme seien nicht auf die mangelnden Parkmöglichkeiten zurückführen, sondern auf die Tatsache, dass es zu viele Apotheken gebe.
„So lange Sie Ihr wirtschaftliches Problem auf die mangelnden Parkmöglichkeiten zurückführen und nicht auf die Tatsache, dass wir zu viele Apotheken und Fachärzte auf kleinstem Raum mit Einheitsangebot, stärkster Lobby, in reglementiertem Umfeld haben, nehme ich es als unlauter wahr, wenn Sie Ihre Kunden und Patienten vorschieben“, schreibt Zipse als Antwort auf den offenen Brief des Apothekers. Dieser soll aufhören, die kranken Menschen für sein Einkommen kämpfen zu lassen.
Zuvor hatte der Inhaber der Löwen-Apotheke und Vorstand von „Wir in Aeschach“, einem Verein der Geschäftsleute, in einem offenen Brief an Oberbürgermeister Gerhard Ecker und die Stadträte geschrieben. Sie sollten die Vorschläge der Stadtverwaltung, kostenlose Parkplätze abzuschaffen, ablehnen. „Wir sprechen beim Aeschacher Markt vom Zentrum des Stadtteils Aeschach. Dort finden sich die meisten Praxen, Büros, Banken und Geschäfte“, schreibt der Pharmazeut darin. Alles sei dort auf kurze Wege und kurze Aufenthaltszeiten ausgelegt, um Besorgungen mit möglichst geringem Zeitaufwand tätigen zu können. Gerade alte und gehbehinderte Menschen seien für diese Möglichkeit dankbar.
Das Problem: Vor wenigen Monaten wurde am Aeschacher Markt ein neues Geschäftshaus, das sogenannte LuKi2 gebaut, in dem sich neben Wohnungen auch einige Ärzte befinden. Im Erdgeschoss gibt es zudem eine Filiale der Sparda-Bank und einen Bäcker. „Das zieht die Leute noch zusätzlich an“, sagt Rösler. Allerdings habe sich dadurch auch die Parksituation verschärft. Nun sollen auch noch die bisher vorhandenen neun bis zehn Parkplätze weg. „Kurzzeitparkplätze sind essentiell für Praxen, Büros, Banken, ortsansässige Einzelhändler und sonstiges Gewerbe“, appelliert Rösler in seinem Brief. Die Parkplätze müssten unbedingt erhalten bleiben, wenn auch eine Beschränkung der Parkzeit „ausdrücklich im Interesse aller Anlieger“ sei.
Nach Ansicht der Stadtverwaltung führen die ständigen Rückwärtsausparker allerdings zu gefährlichen Situationen und behindern den Fahrrad- und Autoverkehr. Um die vorhandenen Stellplätze im nahen Umfeld auch für Kurzparker besser zu nutzen, soll es daher nur noch wenige Parkplätze in Längsrichtung geben, so die Verantwortlichen.
Die Stadtverwaltung verweist in ihrer Sitzungsvorlage ausdrücklich auf Stellplätze in der Nähe des Aaeschacher Marktes, die allerdings gebührenpflichtig sind. Wohl deshalb stünden diese oft leer, während Autos am Aeschacher Markt parken. In Absprache mit Polizei und Staatlichem Bauamt schlägt die Verwaltung deshalb ein generelles Parkverbot am gesamten Aeschacher Markt vor. Das will sie durch Absperrungen sicherstellen. Ausnahmen soll es nur für drei Längsparkplätze auf der Westseite, einen Behindertenparkplatz vor dem Luki2 und je einen Lieferparkplatz für die Bäckerei und den Blumenladen geben. Für die Stellplätze soll eine Parkdauer von nur 15 Minuten gelten.
Rösler fürchtet jedoch ähnlich negative Folgen für die Geschäfte wie vor einem Jahr durch die Schaffung einer Einbahnstraße in einem anderen Stadtteil von Lindau. „Dort ist die Kundenzahl damals bis zu 30 Prozent zurückgegangen“, sagt der Pharmazeut. Dies sei auch für den Wegfall von Parkplätzen zu befürchten. „Ob jemand nicht zu den Geschäften kommt oder dort nicht parken kann, ist das Ergebnis unter dem Strich gleich: Menschen gehen nicht hin“, führt er aus.
Nach Ansicht von Rösler hat sich das bisherige System bewährt. Die kritisierten Punkte könnten durch einfache Maßnahmen aus der Welt geschaffen werden. Diese seien teilweise bereits eingeleitet worden. „Man muss dem Ganzen einfach ein wenig Zeit geben, sich einzuspielen“, betont der Apotheker. Schließlich sei LuKi2 noch kein halbes Jahr komplett bezogen. Die Bäckerei habe erst Mitte Oktober eröffnet.
Auf Facebook ist in der Gruppe „Du weißt, dass du aus Lindau bist“ eine hitzige Diskussion über das Thema entbrannt. Angestoßen wurde sie durch den Post des Stadtrates Zipse, der nicht nur die Beweggründe des Pharmazeuten anzweifelt, sondern sich über Flüchtigkeitsfehler im Schreiben des Apothekers mokiert. „Ich mag' es einfach nicht, wenn Menschen mein Wochenende stehlen wollen, aber nicht bereit sind, Ihre Forderungsschreiben auch nur noch einmal querzulesen - spritzt der dann auch schon mal einen Liter, wo er eigentlich einen Milliliter spritzen wollte?“ (Rechtschreibung des Zitats beibehalten, Anm.d.Red.).
Dafür wurde der Stadtrat in einigen Kommentaren stark kritisiert. „Als Stadtrat sind Sie auf den Kommunalposten deplaziert. Sie haben die Sorgen ALLER bestmöglich zu beachten und zu begutachten und nicht lächerlich einer Facebookgemeinde vorzuführen“, schreibt eine Bürgerin. Auch Claudia Kampe findet deutliche Worte: „Ich finde Ihr Ausgangspost eine absolute Unverschämtheit. Es kann ja wohl nicht sein, dass sich Bürger dieser Stadt mit einem Anliegen an einen Stadtrat wenden und dieser das online zwecks Rechtschreibfehler oder Sonstigen ins Lächerliche zieht.“
Auch in der Sache stellen sich viele Kommentatoren auf die Seite des Apothekers. Udo Klimaschewski gibt an, in der Nähe zu wohnen und täglich an der besagten Straße vorbeizugehen. „Ein Problem für den Verkehr sehe ich, wie die Experten, durch die Parkerei dort nicht. Auch nicht für den Verkehrsfluss, an den Fußgängerüberwegen steht man eh mit dem Auto.“ Mit etwas gegenseitiger Rücksicht klappe auch das Ausparken. „Könnte die fehlende Gebührenpflicht ein Problem für die Stadt sein? Scheint mir so, wenn selbst die Verkehrsexperten keine Probleme erkennen können“, heißt es im Kommentar weiter. Corinna Moschen-Lotte plädiert für die Schaffung von Kurzzeit-Parkplätzen für alle: „Was nützt mir ein Behinderten-Parkplatz, wenn ich zum Beispiel mit meiner 80-jährigen gehbehinderten Mutter zum Doc geh. Ich darf mich dort dann gar nicht hinstellen. Soll ich sie aus dem Auto zum Doc zaubern?“
Angelika Fiedler findet dagegen, dass man alle Ärzte und Apotheken „bequem mit dem Bus“ erreichen könne. „Selbst meine Schwiegermutter mit ihren neunzig Jahren ist auf diese Weise unterwegs und hat bis jetzt überlebt“, schreibt sie in ihrem Kommentar. „Wenn die Parkmöglichkeiten so schlimm sind, warum fährt man dann nicht einfach Bus?“, pflichtet ihr Marcus Maximus Kuhn bei.
Ob die Parkplätze um den Aeschacher Markt tatsächlich abgeschafft werden, wird jetzt der Hauptausschuss in einer öffentlichen Sitzung entscheiden. Rösler wagt es allerdings nicht, eine Vorhersage zu treffen. „Wir haben mittlerweile zehn Fraktionen. Der Stadtrat ist extrem zersplittert“, erklärt der Apotheker. Die bisherigen Rückmeldungen würden ihn aber positiv stimmen.
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