Ohrloch-Gutachten: Apotheker stechen besser Alexander Müller, 09.12.2014 13:29 Uhr
Eine Apothekerin aus Solingen und ein Würzburger Kollege haben Ärger, weil sie ihren Kunden das Stechen von Ohrlöchern anbieten. In einem Fall geht die Wettbewerbszentrale dagegen vor, im anderen der Pharmazierat. Die Firma Studex – nach eigenen Angaben weltweit führender Hersteller von Ohrlochstechsystemen – springt den Apotheken bei und hat bei der Stuttgarter Kanzlei Oppenländer ein Gutachten beauftragt. Demnach zählt das Stechen von Ohrlöchern durchaus zu apothekenüblichen Dienstleistungen.
Studex spricht nicht nur Juweliere, sondern gezielt auch Apotheken und Ärzte an, ob sie Ohrlöcher stechen möchten. Karoline Horstkotte, Inhaberin der Löwen-Apotheke in Solingen, wollte ihren Kunden eine Möglichkeit bieten, das Stechen sauber und steril durchzuführen. Doch die Apothekerkammer Nordrhein hatte die Wettbewerbszentrale eingeschaltet und die Apotheke abmahnen lassen. Das Stechen von Ohrlöchern gehöre nicht in die Apotheke, so das Argument.
Studex will die Apothekerin unterstützen. Das Gutachten selbst soll noch nicht veröffentlicht werden, solange die Klärung läuft. Doch der Verband der Europäischen Hersteller von Ohrlochstechsystemen (Ear Piercing Manufacturers of Europe, EPM) hat auf der Grundlage des Gutachtens eines Stellungnahme abgegeben. Studex ist Mitglied im Lobbyverband der Ohrlochstecher.
Rechtsanwalt Dr. Heinz-Uwe Dettling und seine Kollegin Johanna Briese haben sich mit dem Thema befasst und kommen zu dem Schluss: Das Ohrlochstechen mit dem System von Studex sei eine apothekenübliche Dienstleistung im Sinnes der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), die zugehörigen Ohrstecker sind ebenso apothekenübliche Waren.
Bei der Frage nach der Apothekenüblichkeit gehe es darum, ob die Ware oder Dienstleistung der Gesundheit dient oder diese fördere. Das in den Apotheken eingesetzte System minimiere die beim Ohrlochstechen bestehenden, wenn auch geringen Gesundheitsrisiken, erklärt Ingo Reiners, Repräsentant des EPM in Deutschland.
Dies sei durch das Design des Ohrlochstechsystems begründet: Die medizinischen Ohrstecker werden laut Reiners in sterilen Einmalkartuschen in das Gerät eingesetzt. Der Anwender müsse also weder die Einstichstelle am Ohr noch den medizinischen Ohrstecker mit der Hand berühren.
„Zum anderen trägt gerade die Fachkenntnis von Apothekern und PTA dazu bei, dass Verbraucher über gesundheitliche Risiken aufgeklärt werden und eine gute Beratung zur Pflege der neuen Ohrlöcher erhalten, wodurch sich der Heilungsprozess unterstützen und das Risiko von Entzündungen beziehungsweise Infektionen deutlich minimieren lässt“, so Reiners.
Bei den medizinischen Erststeckern handele es sich zudem ausschließlich um antiallergische Ohrringe aus Chirurgenstahl, Echtgold oder Titan. „Gerade im Vergleich zu anderen als apothekenüblich geltenden Produkten wie etwa dekorativer Kosmetik, also beispielsweise Lidschatten oder Wimperntusche, liegt die Apothekenüblichkeit von medizinischen Ohrsteckern doch auf der Hand“, meint Reiners.
Nicht zu vernachlässigen ist laut dem EPM auch der Wunsch der Verbraucher: Viele Kunden schätzten gerade die Fachkompetenz der Apotheken in allen Belangen rund um das Thema Gesundheit. „Etwa 20 Prozent der Verbraucher, die nach Fachgeschäften für das Ohrlochstechen suchen, fragen ganz bewusst nach Apotheken oder Ärzten, die diese Dienstleistung anbieten“, so Reiners. In Ländern Süd- und Osteuropas, wie etwa der Türkei oder Italien, würden Ohrlöcher überwiegend in Apotheken gesetzt.
Die Wettbewerbszentrale kannte diese Argumentation schon aus der Erwiderung auf die Abmahnung. Doch in Bad Homburg ist man davon nicht überzeugt. Die Sache wird also vermutlich vor Gericht gehen.