OHG-Geschwister: „Wir stempeln die Zeit nicht ab“ Carolin Ciulli, 18.03.2024 10:26 Uhr
Immer mehr Apotheker:innen entscheiden sich für eine geteilte Selbstständigkeit. Auch Olaf Herde und seine Schwester Anke Herde entschlossen sich vor mehr als zehn Jahren, den väterlichen Betrieb im hessischen Lich in einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) weiterzuführen. Der entscheidende Vorteil sei der „Faktor Zeit“ – sowohl beruflich, als auch privat.
2011 entschieden sich die Geschwister Herde, die Apotheke als OHG zu übernehmen. „Es muss natürlich eine Betriebsgröße sein, die zwei Familien ernähren kann.“ Um dies auch für die Zukunft zu sichern, investierten beide drei Jahre später gemeinsam mit den ansässigen Mediziner:innen in ein Ärztehaus und eröffneten dort neu. Der alte Standort wurde geschlossen. „Das war die beste Entscheidung überhaupt“, so der 48-Jährige. „Im Ort sind wir beide das Gesicht der Apotheke.“
Wir treffen Entscheidungen zusammen, wobei jeder auch Freiraum hat.
Was die Aufgabenverteilung angeht, gibt es klare Schwerpunkte. „Ich bin für den wirtschaftlichen Betrieb zuständig“, sagt Herde. Seine zwei Jahre jüngere Schwester sei einfühlsamer und für das Personal verantwortlich. Wichtig in der OHG sei das Vertrauen. „Wir treffen Entscheidungen zusammen, wobei jeder auch Freiraum hat. Wenn ich für 50.000 Euro Ware kaufe, dann sprechen wir das nicht vorher ab. Und umgekehrt führt sie die Jahresgespräche oder stellt auch mal jemanden ein, wenn ich zum Beispiel im Urlaub sein sollte.“
Morgens schließ Anke Herde die Apotheke auf und bleibt bis zum Nachmittag. Olaf Herde stößt etwa um 9 Uhr dazu und bleibt bis Dienstschluss. „Wir stempeln die Zeit nicht ab.“ Die Geschwister gehen auch in besonderen Situationen aufeinander zu. Als die Schwester in Mutterschutz war, war es kein Thema, dass der Bruder die Stellung hielt – ohne dass die gestiegene Arbeitszeit aufgerechnet worden sei. „Wir können auch einmal spontan Urlaub nehmen, weil ja immer eine Vertretung vorhanden ist.“
Es ist nicht immer Sonnenschein. Aber wir arbeiten harmonisch und zielstrebig zusammen und der Erfolg der OHG gibt uns Recht.
Als „familiäre“ OHG sei man beruflich und zeitlich eng verbunden. „Privat lebt jeder sein Leben.“ Natürlich sei man sich nah und Vertrauen spiele eine große Rolle. Auch der Vater sei froh gewesen, als sich die Geschwister entschlossen hätten, in die Heimat zurückzukehren und den Betrieb zu übernehmen. Wer sich „spinnefeind“ ist, sollte es auch innerhalb der Familie besser lassen, rät Herde. Natürlich ist man auch manchmal nicht der gleichen Meinung: „Es ist nicht immer Sonnenschein. Aber wir arbeiten harmonisch und zielstrebig zusammen und der Erfolg der OHG gibt uns Recht.“
Das Thema Arbeitsteilung sei gerade in Zeiten der Lieferengpässe und der Pandemie von Vorteil gewesen. „Wir haben die vergangenen zwei Jahre viel Zeit damit verbracht, Ware zu suchen. Das hat bei zwei Inhabern ideal funktioniert. Einer kümmert sich um das Tagesgeschäft, der andere sucht. Das schafft ein Inhaber auch, doch für ihn ist es zeitlich angespannter. In einer OHG ist man flexibler.“ Auch beim Notdienst führen die Geschwister keine Strichliste, wer wie viele erledigt. „Wir rechnen das nicht auf.“
Ganz ohne Vertrag geht es in Lich aber nicht. „Im Gesellschaftsvertrag ist geregelt, dass jeder eine Einlage gemacht hat, dass nur eine Unterschrift zählt und wir vertretungsberechtigt sind oder wie die Ergebnisverteilung aussieht.“ Die Herdes sind jeweils zur Hälfte an der Ausschüttung beteiligt und teilen sich ebenfalls die Verantwortung über den Betrieb. Außerdem ist geregelt, zu welchem Zeitpunkt ein Gesellschafter frühestens aussteigen kann oder wie viel Geld man bei einer größeren anstehenden privaten Investition etwa ein Hausbau entnehmen könne.