Öko-Test: „Das ist dreist“ APOTHEKE ADHOC, 05.07.2019 13:34 Uhr
Öko-Test hat Produkte gegen Vaginalinfektionen getestet: 16 rezeptfreie Arzneimittel aus Apotheken und ein Medizinprodukt, welches auch in Drogerien erhältlich ist. Zwölf der Produkte sollen gegen Vaginalpilz wirksam sein, vier gegen bakterielle Vaginosen und eins sogar gegen beide Erkrankungen. Zehn der getesteten Produkte enthalten Clotrimazol und werden mit „gut“ bewertet, auch ein Mittel mit dem Wirkstoff Nystatin schneidet „gut“ ab, ebenso wie Dequaliniumchlorid bei bakterieller Vaginose. Antiseptische Wirkstoffe waren weniger überzeigend und das getestete Medizinprodukt wurde wegen unzureichender Wirksamkeit und einer „dreisten Werbemasche“ sogar mit „mangelhaft“ bewertet.
Geht es um den Intimbereich, sind viele Frauen gehemmt: Der Gang zum Arzt bleibt meist aus, selbst die Beratung in der Apotheke ist vielen Kundinnen unangenehm. Wird die gesunde Vaginalflora zerstört, steigt der pH-Wert an und schädliche Keime können sich vermehren. Bei Unsicherheit oder unklaren Beschwerden rät Öko-Test, einen Frauenarzt aufzusuchen, da die Bekämpfung von Bakterien und Pilzen unterschiedlich erfolgt. Mit einem Abstrich kann unter dem Mikroskop der genaue Erreger bestimmt und gezielt behandelt werden.
Vaginalmykosen gehen typischerweise mit Beschwerden wie Jucken und Brennen im Intimbereich sowie krümeligem, weiß-gelblichem Ausfluss einher, auch Schwellungen oder Rötungen sind möglich. Erreger ist meist der Hefepilz Candida. Die bakterielle Vaginose hingegen zeichnet sich meist durch einen stark fischigen Geruch aus, der durch die Bildung von Aminen entsteht. Auslöser können Chlamydien, Bacteroides-Stämme oder Gardnerellen sein. Je nachdem, ob es sich um eine Candida- oder bakterielle Infektion handelt, gibt es unterschiedliche Therapiemöglichkeiten.
Bei bakteriellen Infektionen kann Dequaliniumchlorid angewendet werden. Die Vaginaltabletten werden an sechs Abenden in Folge tief in die Scheide eingeführt. Bei Öko-Test war es das einzige Produkt, welches im Bereich bakterielle Vaginose mit der Gesamtnote „gut“ abgeschnitten hat. In klinischen Studien sei die Substanz ebenso wirksam gewesen wie Antibiotika, bewertet Gutachter Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz von der Universität Frankfurt. Dennoch sei wegen des häufigen Auftretens von Reizungen ein Punkt abgezogen worden.
Die anderen drei Mittel gegen bakterielle Vaginose schneiden nur „ausreichend“ ab: Es handelt sich um Produkte mit antiseptisch wirkenden Substanzen. „Es gibt für diese Wirkstoffe keine belastbaren Studien, die zeigen, dass sie effektiv gegen Vaginosen wirken“, so Schubert- Zsilavecz. Antiseptika seien zu unspezifisch in ihrer Wirkung und wären deshalb – wenn überhaupt – nur Mittel der zweiten Wahl bei Scheidenpilz, gibt der Gutachter zu bedenken.
Das einzige Medizinprodukt des Tests enthält einen „2QR-Komplex“ aus Galatoarabinan Polyglucoronic Acid Crosspolymer. Das Gel schnitt „mangelhaft“ ab: Die enthaltene Substanz soll die Anlagerung von schädlichen Bakterien verhindern und sie so neutralisieren. Dadurch sollen laut Hersteller bakterielle Vaginosen mit ihren Symptomen behandelbar sein. Auf der Homepage wird mit einer klinischen Studie geworben, welche das Gel als Alternative zur Antibiotika-Intervention anpreist. Die Studie weist jedoch nach Auffassung von Schubert-Zsilavecz methodische Unzulänglichkeiten auf. Auf Nachfrage wurde vom Hersteller sogar mitgeteilt, dass die Veröffentlichung der Studie als Kommunikationsinstrument genutzt und nicht als wissenschaftliche Veröffentlichung betrachtet werde.
„Das ist dreist“, bewertet Öko-Test. Das schwache Medizinprodukterecht mache solche Aussagen möglich, da Medizinprodukte nicht wie Arzneimittel zugelassen werden müssen. „Eine solche Studie würde sicherlich nicht für eine Arzneimittelzulassung berücksichtigt werden können“, sagt auch Professor Dr. Stefan Sauerland vom Insititut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Durch die Revision des Medizinprodukterechts 2017 sei zwar eine Besserung zu erwarten, jedoch laufe die Übergangsfrist noch bis 2020. Solange sei zu erwarten, dass „weitere unwirksame oder auch unsichere Produkte auf den Markt gelangen“.
Öko-Test rät, Handtücher und Unterwäsche während der Behandlung täglich zu wechseln und bei 60 °C zu waschen. Enge Kleidung und Synthetikmaterialien sind ebenfalls zu meiden, da sie feuchtes Klima im Intimbereich fördern und so die Probleme begünstigten. Hausmittel wie Joghurt-Tampons seien eher kontraproduktiv und auch die Wirkung von Probiotika sei wissenschaftlich umstritten. Es gäbe jedoch schwache Hinweise dafür, dass eine zusätzliche Behandlung mit probiotischen Vaginalkapseln „eine Heilung fördern und einen Rückfall etwas hinauszögern kann“.