Sonntags-Apotheke gegen EuGH-Urteil Eugenie Ankowitsch, 05.11.2016 09:08 Uhr
Gute Erreichbarkeit, ein großes Warenlager und ausgedehnte Öffnungszeiten müssten die Apotheken der Zukunft mindestens bieten, um Kunden an sich zu binden und damit konkurrenzfähig zu bleiben, ist Apotheker Klaus Bellwinkel überzeugt. Ab November will er angesichts der EuGH-Urteils eine seiner vier Apotheken sogar sonntags öffnen.
Die Apotheke, wie sie noch vor 20 Jahren war, ist dem Untergang geweiht. Davon ist Apotheker Bellwinkel überzeugt. „Angesichts der Veränderungen der vergangenen Jahre und der Herausforderungen der kommenden Jahre kann ich mich nicht auf dem traditionellen Verständnis davon, wie eine Apotheke zu führen ist, ausruhen“, sagt der Apotheker aus dem niedersächsischen Rinteln. Schließlich führe er ein Wirtschaftsunternehmen.
Die Apotheker müssten sich den Anforderungen an einen modernen Dienstleister anpassen, was für die Kunde viele Vorteile mitbringe. Medikamentenlieferung nach Hause, die Möglichkeit der Vorbestellung per Whatsapp und erweiterte Öffnungszeiten gehörten dazu. „Außerdem muss das Warenlager entsprechend voll und gut sortiert sein, um möglichst viele Kundenwünsche sofort erfüllen zu können“, so Bellwinkel, der drei Apotheken in Rinteln und eine in Bückeburg betreibt. „Unser großes Plus ist Schnelligkeit“, sagt er. Die Kunden wollen ihre Medikamente oder Medizinprodukte sofort und nicht erst in Stunden haben. Das könnten Versandapotheken nicht bieten. „Eine starke Kundenbindung wird in Zukunft entscheidend sein“, ist er überzeugt und geht nun einen Schritt weiter. Eine seiner vier Apotheke, die B33-Apotheke am Marktkauf, soll ab sofort auch am Sonntag von 9 bis 18 Uhr öffnen.
Eigentlich habe er die Sieben-Tage-Apotheke für Anfang nächsten Jahres geplant, erklärt Bellwinkel. Angesichts des EuGH-Urteils zu Rx-Boni, das bei vielen Apothekern für Entsetzen sorgte, habe er nach Rücksprache im Team beschlossen, den Start auf November vorzuverlegen. Für Bellwinkel ist das Urteil „ein Vorgeschmack darauf, was kommen könnten, wenn internationale Gerichte auf der Grundlage von Abkommen, wie beispielsweise Ceta, über die Belange im Inland entscheiden dürfen“. Angesichts dieser Entwicklungen gewinnen aus seiner Sicht die Strategien zur Stärkung von Kundenbindung immer mehr an Bedeutung.
Er sieht die Öffnung am Sonntag deshalb als weiteren Schritt Richtung stärkere Kundenorientierung, zumal das Ladenöffnungszeitgesetz diese Möglichkeit schon länger biete. Zunächst will Bellwinkel mit einem Apotheker und einem PTA an Sonntagen antreten und alles anbieten, was apotheken- und verschreibungspflichtig ist. Da Bellwinkel nach eigenen Angaben ein großes Team an approbierten Apothekern leitet, muss jeder von ihnen etwa vier- bis fünfmal jährlich am Sonntag arbeiten. Dazu kämen normale Sonntagsnotdienste.
Es gelte allerdings herauszufinden, ob und in welchem Umfang Kunden das Angebot annehmen, sagt Bellwinkel. Bisher gebe es gespaltene Meinungen in der Kundschaft. Zuspruch erhält der Apotheker vom Seniorenrat. Schon seit Längerem hätten die Seniorenvertreter bemängelt, dass es in Rinteln mit immerhin rund 25.000 Einwohner und sieben Apotheken nicht jeden Sonntag einen Apothekennotdienst gebe. Auf den Notdienstplan habe er zwar keinen Einfluss, auf die Öffnungszeiten seiner vier Apotheken dagegen schon. „Daher wollte ich diese Lücke schließen.“
Bellwinkel hatte bereits vor Jahren die Apothekerszene im beschaulichen Rinteln ordentlich aufgemischt. Im Jahr 2008 habe er im Alleingang die vorher „jahrelang geeinte Front der Apotheker gegen erweiterte Öffnungszeiten durchbrochen“. Als Erster habe er in Rinteln seine damalige Hauptapotheke in der Bahnhofstraße an Mittwochnachmittagen geöffnet. Er verzichtete außerdem auf die Mittagspause und öffnete werktags bis 20 Uhr und samstags bis 16 Uhr. Die Maßnahmen hätten ihm nicht nur Freunde gebracht. Dennoch hätten die anderen Apotheken schrittweise nachgezogen und ihre Öffnungszeiten auch auf den Mittwochnachmittag ausgedehnt und teilweise auf die Mittagspause verzichtet.