Auch Hersteller homöopathischer Produkte dürfen nur mit dem werben, was wirklich drin ist – und das ist bei Globuli nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft: Zucker. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) in einem Urteil gegen eine Apothekerin entschieden. Die Wettbewerbszentrale hatte sie abgemahnt, weil sie Tropfen und Globuli der Potenz C30 mit dem Schwangerschaftshormon HCG vertrieben hat – die das Hormon aber natürlich nach aktuellem Stand der Wissenschaft gar nicht enthielten. Vor dem Landgericht Darmstadt unterlag die Wettbewerbszentrale noch, das OLG kassierte das Urteil nun und verbot der Apothekerin bei Strafandrohung, das Produkt weiter zu vertreiben.
Das OLG hat der Apothekerin verboten, weiterhin ihre Produkte „HCG C30 Globuli“ und „HCG C30 Tropfen“ zu bewerben oder in Verkehr zu bringen. Damit entschieden die Richter zugunsten der Wettbewerbszentrale, die die Apotheke im Herbst 2018 abgemahnt hatte – denn die Kennzeichnung der Homöopathika entsprach ihrer Meinung nach nicht den Vorgaben des Arzneimittelrechts.
Die Inhaberin wurde aufgefordert, künftig keine HCG-Produkte „bestehend aus 100 Prozent Zucker als Nahrungsergänzungsmittel ohne Angaben der Kategorien von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen, die für das Erzeugnis kennzeichnend sind, in den Verkehr zu bringen und/oder bringen zu lassen“.
Anders als in der Produktbezeichnung suggeriert, sei das Schwangerschaftshormon nicht in den Produkten enthalten. Es bestehe die Gefahr, dass Verbraucher:innen sich mit den Produkten selbst behandelten und im Zweifel auf einen angezeigten Arztbesuch verzichteten. Die Apothekerin verteidigte sich damit, dass die angebotene Ware gemäß des Homöopathischen Arzneibuchs hergestellt worden sei. HCG sei in der Dosierung C30 enthalten und den angesprochenen Verkehrskreisen sei auch bekannt, dass Wirkstoffe in homöopathischen Arzneimitteln soweit verdünnt sind, dass sie mit wissenschaftlichen Mitteln nicht mehr nachweisbar sind.
Das LG Darmstadt war dieser Argumentation gefolgt: „Auch dass ein Ausgangsstoff bei der verwendeten Dosierung ‚C30‘ aufgrund der extremen Verdünnung mit den bisher bekannten wissenschaftlichen Methoden nicht mehr nachweisbar ist, führt nicht dazu, dass angenommen werden kann, dass der Stoff tatsächlich nicht in dem homöopathischen Medikament enthalten ist“, so die Richter im Januar 2020. Würde man der Sichtweise der Wettbewerbszentrale folgen, dass bei der Verdünnung C30 kein Inhaltsstoff mehr enthalten sei, komme dies einem faktischen Verbot der Homöopathie gleich, die nicht im Sinne der Verbraucher sei.
Auch eine Irreführung könne nicht angenommen werden, da grundsätzlich davon ausgegangen werden müsse, dass es sich bei dem angesprochenen Verkehrskreis um Personen handelt, die grundsätzlich der Homöopathie offen gegenüberstehen und denen bekannt ist, dass die Wirkstoffe bei homöopathischen Arzneimitteln geringer dosiert sind, als bei klassischen schulmedizinischen Produkten. „Anhänger der klassischen Schulmedizin“, so die Richter, gingen dagegen üblicherweise davon aus, dass homöopathische Arzneimittel keinerlei Wirkungen haben können und mögliche Behandlungserfolge ausschließlich auf den Placeboeffekt zurückzuführen seien. „Dieser Personenkreis wird von der Werbung der Beklagten nicht angesprochen, da klar erkennbar ist, dass ein homöopathisches Arzneimittel vertrieben wird.“
Das OLG sieht es anders. In einem Anerkenntnisurteil hob es die Entscheidung auf und gab der Wettbewerbszentrale recht – mit möglichweise großen Konsequenzen. „Wenn ich das Urteil übertrage, heißt das, wenn ich etwas nicht mehr nachweisen kann, darf ich es auch nicht mehr bewerben. Das kann durchaus weitreichende Folgen haben“, erklärt Rechtsanwältin Christian Köber von der Wettbewerbszentrale. Man werde nun abwarten müssen, welche Auswirkungen das Urteil auf den Homöopathie-Markt hat. „Wie für alle Produkte gilt, was draufsteht, muss auch drin sein. Können Arnica-Kügelchen nun noch Arnica-Kügelchen sein, wenn sie gar kein Arnica enthalten oder muss das dann mit Buchstaben- und Zahlencodes gekennzeichnet werden, wie es manche Hersteller schon tun?“