Für die meisten Apotheken sind zufriedene Stammkunden die Basis für den Erfolg. Um die Kundenzufriedenheit aktiv zu steuern, holen viele regelmäßig Kundenfeedback ein. Doch meistens schneiden Apotheken dabei gut bis sehr gut ab. Was also tun, um die Kundenzufriedenheit weiter zu verbessern? Mystery Shopping kann auch in diesen Fällen helfen, behauptet Marktforscherin Julia Kaufmann. Gleichzeitig verweist sie darauf, dass es in Apotheken nur selten zu „Wow-Erlebnissen“ kommt.
Zufriedene Kunden reden über ihre positiven Erlebnisse – unzufriedene über Negativeindrücke umso mehr. Und das geht in den Zeiten von Facebook & Co. wesentlich schneller als früher mit der Mund-zu-Mund-Propaganda. Für Apotheken wird es damit immer wichtiger, sich aktiv mit dem Thema Kundenzufriedenheit auseinanderzusetzen. Das „Problem“: Im Vergleich zu vielen anderen Branchen schneiden Apotheken in der Regel gut bis sehr gut ab, gibt Kaufmann, Geschäftsführerin von K&K Mystery Shopping and more, zu bedenken. Gerade bei den entscheidenden Kriterien Freundlichkeit und Beratungskompetenz würden Apotheken bei herkömmlichen Kundenbefragungen tolleErgebnisse erzielen. Wie soll man daraus Verbesserungsstrategien ableiten? Oder kann man sich einfach entspannt zurücklehnen und so weitermachen wie bisher?
„Für viele gute Apotheken ist es in der Tat sehr anspruchsvoll, Kundenzufriedenheit noch zu verbessern und die Kundenbindung zu stärken“, räumt die Marktforscherin ein. Sie ist jedoch überzeugt, dass das in der Privatwirtschaft weit verbreitetes Bewertungsinstrument Mystery Shopping auch bei Apotheken, die sich bereits auf einem hohen Qualitätsniveau bewegen, die verborgenen Potentiale offenlegen kann. Beim Mystery Shopping geben sich Testkäufer als Kunden aus. Nach vorher vereinbarten Kriterien bewerten und dokumentieren sie einen Apothekenbesuch.
So geschehen bei einer Apotheke, die auf den ersten Blick Bestwerte in allen Bereichen hätte erzielen sollen. „Bei den Mystery-Shopping-Einsätzen kam aber überraschenderweise heraus, dass die Apotheke für etwa Hälfte der Testkunden gut sichtbar war, für die anderen dagegen gar nicht“, berichtet die Marktforscherin. Hätten sie nicht den Auftrag gehabt, genau diese Apotheke zu testen, wären sie in eine andere Apotheke gegangen. Nach einer Analyse kristallisierte sich heraus, dass der einzige Unterschied zwischen den Testkunden die Art der Anfahrt war. „Diejenigen, die der Apotheke eine gute Sichtbarkeit bescheinigten, kamen mit dem Auto. Die anderen, die die Sichtbarkeit vermisst haben, aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln“, erklärt Kaufmann. Im Übrigen kamen sowohl der Inhaber als auch die Angestellten der Apotheke ebenfalls mit dem Auto zur Arbeit. Sie waren sich also gar nicht bewusst, dass ihnen zahlreiche Kunden durch die Lappen gehen. „Durch diese Erkenntnis konnte man Strategien entwickeln, um die Sichtbarkeit auch bei den Nutzern der öffentlichen Verkehrsmittel zu steigern“, resümiert sie.
Die Gelegenheiten, es zu vermasseln, gibt es für die Apothekenmitarbeiter indes reichlich. Bereits bei der Begrüßungssituation entscheide sich oft, ob der Kunde wiederkomme und die Apotheke weiterempfehle, betont die Marktforscherin. „Wenn die Begrüßung nicht funktioniert, wird er die Apotheke mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht weiterempfehlen.“ Entscheidend sei aber, ob es dem Apothekenpersonal gelingt, Vertrauen aufzubauen. Dabei würden zahlreiche Kleinigkeiten eine Rolle spielen. Lächeln, Gestik, Körperhaltung, Stimme senken, wichtige Fragen stellen, Bedarf ermitteln: Laut Kaufmann muss eine Menge stimmen, damit der Kunde sich in der Apotheke gut aufgehoben fühlt. Doch auch solche Aspekte, welche Farbe der Kittel hat oder ob die Mitarbeiter überhaupt einen tragen, tragen dazu bei. „So bemängelten die Kunden in einem Fall, dass das Apothekenpersonal Privatkleidung trug und nur durch Namensschild identifizierbar war“, berichtet sie. Insbesondere ältere Kunden würden weiße Kittel mit Autorität und Kompetenz assoziiert. „Nur weil der Kittel weiß ist, gibt der Kunde dem Mitarbeiter einen Vertrauensvorschuss“, weiß Kaufmann.
Einen Tipp hat die Marktforscherin für Apothekenmitarbeiter: „Man sollte sich, auch wenn es schwer fällt, angesichts einer Warteschlange nicht unter Druck setzen lassen und den aktuellen Kunden möglichst schnell abfertigen“, sagt sie. Denn sonst wird die Warteschlange zwar kürzer, die Zufriedenheit des Kunden mit einer solchen Beratung sinke aber. Ohnehin würden Apothekenmitarbeiter in der Regel die Wartezeit subjektiv als viel länger und schlimmer empfinden, als die Kunden es selbst tun.
Läuft in der Apotheke etwas schief, müsse es nicht zwingend an dem einzelnen Mitarbeiter liegen. „Häufig liegen die Ursachen für Missstände in den Prozessen und Arbeitsabläufen in der Apotheke“ gibt Kaufmann zu bedenken. Wird beispielsweise ein Mitarbeiter als unmotiviert wahrgenommen, könnte der Grund hierfür sein, dass er tatsächlich unmotiviert ist, oder aber, zum Beispiel aufgrund einer hohen Arbeitsbelastung, einfach wenig Zeit für den Kunden hatte.
Misslingt die Begrüßungssituation, könnte es auch wiederum daran liegen, dass Aufgaben und Zuständigkeiten nicht klar definiert seien. Typisches Beispiel sei, wenn zwei PTA im Backoffice beschäftigt sind und ein Kunde reinkommt: Wer geht dann nach vorn? „Wenn es nicht vorher klar festgelegt ist, ärgert sich eventuell die PTA, die in die Offizin geht, dass wieder sie ihre Aufgabe unterbrechen musste und vermasselt in ihrem Ärger über die Kollegin die Kundenbegrüßung“, berichtet die Marktforscherin.
Obwohl Apotheken bei Testeinsätzen in der Regel gut bis sehr gut abschneiden, kommt es laut Kaufmann nur selten zu „Wow-Effekten“. Dabei wären sie notwendig, um sich von der Konkurrenz abzuheben. „Nachdem sogenannte Basis- und Leistungsanforderungen erfüllt worden sind, und das ist in Apotheken ja oft der Fall, ist der Kunde nur noch mit speziellen Einkaufserlebnissen, mit denen er nicht gerechnet hat, zu beeindrucken“, gibt sie zu bedenken.
Haben die Testkunden jedoch von solchen Erlebnissen berichtet, waren sie meistens auf die Leistung der Apothekenmitarbeiter zurückzuführen. Eine fachlich tadellose Beratung, in die der Apotheker zum Beispiel auch noch persönliche Erfahrungen einfließen lässt, überrascht den Kunden in einer positiven Art. „Wenn beispielsweise eine Mutter für ihr Kind mit Hautproblemen etwas sucht, könnte die beratende Apothekenmitarbeiterin ihr nicht nur etwas empfehlen, sondern auch berichten, dass sie das Produkt auch für ihr eigenes Kind verwendet habe“, regt Kaufmann an. In diesem Fall sei es so gut wie sicher, dass die Kundin das Produkt nicht nur kauft, sondern wiederkommt und die Apotheke weiterempfehlen wird.
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