Apothekenteams haben üblicherweise einen sehr hohen Frauenanteil – was schon an der Verteilung im Pharmaziestudium und noch viel mehr in der PTA-Ausbildung liegt. Es gibt sogar etliche rein weibliche Teams. Allerdings sollten Inhaber:innen bei der Besetzung neuer Stellen darauf achten, auch männliche Bewerber nicht zu diskriminieren. Denn das wäre nicht nur unfair, sondern kann auch richtig teuer werden.
Der Fall, der vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein verhandelt wurde, spielte sich nicht in der Apotheke ab, lässt sich aber 1:1 auf die Offizin übertragen. Ein kleiner Gebrauchtwagenhändler mit weniger als zehn Mitarbeiter:innen hatte auf dem Portal Ebay-Kleinanzeigen eine Stellenausschreibung mit dem Titel veröffentlicht: „Sekretärin gesucht!“ In der Beschreibung war erneut explizit von Sekretärin in Vollzeit oder Teilzeit die Rede.
Über die Chat-Funktion der App bewarb sich ein Herr W. Er fragte nach: „Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau?“ Und nach nochmaliger Nachfrage erhielt er die Absage: „Wir suchen eine Dame als Sekretärin. Wir wünschen Ihnen alles Gute. Vielen Dank.“
Der Bewerber rief im Betrieb an und beschwerte sich wegen der Diskriminierung. Doch er wurde wieder abgewiesen – unter Hinweis auf das Geschlecht. Als Nächstes bekam der Betrieb Post: Der Bewerber schickte einen vorformulierten Vergleichsvorschlag mit einer Entschädigungssumme in Höhe von 3500. Weil es zu dieser Vereinbarung nicht kam, klagte Herr W.
Vor dem Arbeitsgericht Elmshorn macht er geltend, er sei als Bewerber wegen des Geschlechts diskriminiert worden und habe Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 7800 Euro. Die Summe ergibt sich aus dem dreifachen angenommenen Bruttomonatsverdienst von 2600 Euro.
Der Betrieb beantragte eine Klageabweisung. Herr W. habe sich gar nicht beworben, um eine offene Stelle zu erhalten, sondern ausschließlich um einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen. Er habe zum Beispiel gar keine Bewerbungsunterlagen vorgelegt.
In erster Instanz schloss sich das Arbeitsgericht dieser Sichtweise an. Herr W. sei kein Bewerber im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und habe keinen auf Entschädigung wegen Diskriminierung. Der Chat in der ebay-App sei ein „Vorfühlen vor einer Bewerbung“ gewesen. Damit sei der Schutzbereich des AGG noch nicht eröffnet, unabhängig davon, dass die Stellenausschreibung unstreitig geschlechterdiskriminierend erfolgt sei.
Doch Herr W. ging in Berufung und hatte vor dem LAG Erfolg. Er habe sich explizit auf die Stelle beworben. Und wenn ein Arbeitgeber wie in diesem Fall eine Stelle über Ebay-Kleinanzeigen ausschreibe, müsse er auch mit Reaktionen über diese Chat-Funktion rechnen. Dass der ebenfalls in Betrieb beschäftigte Bruder des Geschäftsführers die Stellenausschreibung eigenmächtig und ohne Erfahrung in Personalangelegenheiten erstellt hatte, halb nicht. Der Chef müsse sich das Verhalten seiner Angestellten zurechnen lassen. Zudem sei die Absage aufgrund des Geschlechts in einem anschließenden Telefonat bestätigt worden.
Er sei letztlich „einzig und allein wegen seines männlichen Geschlechts abgelehnt“ worden, so das Gericht. Andere Gründe für die Aussage, dass eine Frau als Sekretärin gesucht werde, habe der Betrieb nicht vorgetragen. Damit war aus Sicht des Gerichts eine Diskriminierung gegeben.
Vor Gericht wurde noch darüber gestritten, ob der Bewerber rechtsmissbräuchlich gehandelt habe. Das wäre der Fall, wenn er sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern um den formalen Status als Bewerber zu erlangen, um später Ansprüche auf Entschädigung oder Schadensersatz geltend zu machen. Die Beweislast liegt in diesem Fall aber bei demjenigen, der den Vorwurf erhebt.
Zwar könne die wiederholte Nachfrage, ob wirklich nur eine Frau gesucht werde, als bewusste Herausforderung verstanden werden, um den potenziellen Arbeitgeber zu einer Absage zu drängen. „Gerade vor dem Hintergrund, dass der Kläger Wirtschaftsrecht studiert und dort auch mit dem Bereich des Arbeitsrechts befasst ist, lässt sich für seine Nachfrage auch die Erklärung finden, dass er schlichtweg erstaunt über die deutlich diskriminierende Stellenausschreibung war“, so das LAG.
Dass vorgerichtlich ein juristisch formuliertes Vergleichsangebot unterbreitet wurde, finden die Richter auch nicht abwegig. Etwas merkwürdig war ein älteres Datum an einer Stelle im Vergleichsangebot, das auf ein schon öfter verwendetes Musterschreiben schließen lassen könne. Aber selbst wenn Herr W. schon in anderen Fällen auf Schadenersatz wegen Diskriminierung geklagt hätte, wäre das aus Sicht der Richter nicht grundsätzlich rechtsmissbräuchlich, sondern immer der Einzelfall zu betrachten. Immerhin gehe der Kläger auch immer das Risiko ein, auf den Prozesskosten sitzen zu bleiben.
Den Geschäftsführer des Betriebs konnte wiederum nicht retten, dass der Bewerber nach der ersten Absage doch noch zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Denn da hatte dieser seine Ansprüche nach dem AGG schon geltend gemacht. Eine echte „Chance“ auf Anstellung habe dann wohl nicht mehr bestanden.
Was die Höhe der Entschädigung angeht, fand das Gericht drei Monatsgehältern angemessen. Unter Beachtung der laufenden Stellenangebote sei für eine Sekretärin in Vollzeit ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 2700 Euro realistisch. Revision wurde nicht zugelassen.
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