Pronova BKK verschont Apotheker Orth Alexander Müller, 17.12.2015 13:09 Uhr
Die Pronova BKK lenkt ein: Die Kasse hat eine Nullretaxation zu Oxycodon zurückgenommen. Zwar sieht sich die BKK nach wie vor im Recht, doch wegen der Unsicherheiten aufgrund der Aut-idem-Liste wird Apotheker Mathias Orth nun doch nicht retaxiert. Der Inhaber der Rosen-Apotheke in Holzminden hatte sich in einem offenen Brief auch an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gewandt und seinen Fall geschildert.
Orth hatte von der Rezeptprüffirma Protaxplus im Namen der Pronova BKK eine Nullretaxation erhalten, weil er den Rabattvertrags zu Oxycodon nicht beachtet habe. Der Pharmazeut widersprach: Der behandelnde Arzt habe schriftlich einen Dosierungsplan hinzugefügt. Oxycodon mit einer 24-Stunden-Retardierung sei nicht gegen Tabletten mit einer Freisetzung innerhalb von 12 Stunden austauschbar. Laut der Bundesopiumstelle seien die unterschiedlichen Retardformen nicht austauschbar.
Der Widerspruch des Apothekers blieb zunächst erfolglos. Erst nachdem Orth mit seinem Fall an die Öffentlichkeit gegangen war, zeigte sich die Kasse kulanter und suchte das direkte Gespräch mit dem Apotheker. Heute erklärte die Pronova BKK den Rückzug: Man werde den angekündigten Abzug nicht vornehmen, heißt es in einem Schreiben der Kasse.
Aus Sicht der BKK ist das allerdings ein Zugeständnis im Einzelfall: Arzneimittel mit dem Wirkstoff Oxycodon seien nach aktueller Rechtslage sehr wohl austauschbar, und zwar unabhängig von der jeweiligen Applikationshäufigkeit.
Das dürfte sich allerdings bald ändern: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) will Oxycodon auf die Aut-idem-Liste aufnehmen. Künftig wäre dann jede Substitution verboten, unabhängig von Rabattverträgen oder pharmazeutischen Bedenken des Apothekers. Der G-BA habe zwar ein entsprechendes Stellungnahmeverfahren eingeleitet, bestätigte die Pronova. „Diese Änderung ist allerdings bis dato nicht in Kraft getreten.“
Gleichwohl sei durch das Verfahren „ein gewisse Unsicherheit“ eingetreten, weshalb man im Vorgriff auf das Inkrafttreten bereits aktuell entsprechend vorgehe und nicht retaxiere. Einen Freibrief für künftige Fälle will die Kasse aber explizit nicht ausstellen.
Orth bezeichnet den Ausgang des Retax-Falls als „ein schönes ‚Weihnachtsgeschenk‘“, wobei ihn die Begründung der BKK nicht wirklich glücklich mache. Und mit Blick auf 2016 hat er eine Vermutung: „Die nächsten Retaxfallen warten sicher schon...“ Der Apotheker ist sich sicher, dass er ohne den öffentlichen Druck nicht ohne eine entsprechende Klage vor den Sozialgerichten dieses Ergebnis erreicht hätte.
In seinem Brief an Gröhe hieß es unter anderem: „Hier verlangt nun eine Rezeptprüfstelle von den Apotheken gegen geltendes Recht, gegen den Rahmenvertrag und gegen die Anweisungen der Bundesopiumstelle zu verstoßen. Man nimmt eine unzureichende Schmerzversorgung von Versicherten der Pronova BKK wissentlich nach meiner ausführlichen Information in Kauf, ja man verlangt diese de facto sogar, nur um in den Genuss finanzieller Rabattvorteile bzw. in diesem Fall auf Kosten der versorgenden Apotheke zu kommen. Unglaublich!“
Eine Antwort aus dem Ministerium hat Orth zwar nicht erhalten, offenbar hat der Brief aber auch so seinen Zweck erfüllt.
Protaxplus ist unter Apothekern bestens bekannt: Die Rezeptprüffirma hatte ab Herbst 2011 im Auftrag der Novitas BKK sowie den mittlerweile fusionierten BKK vor Ort und BKK Hoesch Nullretaxationen aufgrund von Formfehlern bei BtM-Rezepten ausgesprochen. Erst als die Kassen und ihre Prüffirma öffentlich stark unter Druck gerieten, lenkten sie ein. Die Apothekerverbände in Nordrhein-Westfalen – dem Stammgebiet der drei BKKen – fanden zuerst eine Lösung mit Protaxplus. Später folgte eine entsprechende Einigung auf Bundesebene. Unlängst war Protaxplus aber selbst ein „Formfehler“ unterlaufen: Retaxationen wurden an eine falsche Apotheke verschickt.