Nullretaxation

Vertrag kostet Apotheker 200.000 Euro

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Berlin -

Die Apothekerverbände vertreten laut Satzung die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder. Doch ein Zyto-Apotheker aus Neuruppin fühlt sich schlecht vertreten, er schreibt diesem indirekt sechsstellige Nullretaxationen der AOK Nordost zu. Laut dem Landessozialgericht Brandenburg (LSG) war die Retax berechtigt, weil der Verband den Vertrag geschlossen hatte. Eine zentrale inhaltliche Frage wurde daher gar nicht erst geklärt, nämlich ob Verband und Kasse den Apothekern vorgeben dürfen, Rezepturen als Fertigarzneimittel abzurechnen.

Der Landesapothekerverband Brandenburg (LAV) hatte im Jahr 2007 – also in der Zeit vor exklusiven Zyto-Verträgen – eine „ergänzende Vereinbarung“ mit der AOK geschlossen. Diese beinhaltete die Vorgabe, dass Rezepturen monoklonaler Antikörper nur als Fertigarzneimittel abgerechnet werden können, sowie einen Rabatt von 1,75 Prozent pro Rezeptzeile.

Hintergrund war, dass die Kasse seinerzeit den Herstellerabschlag kassieren wollte. Sie kannte aber die verwendeten Fertigarzneimittel nicht, weil jeweils eine patientenindividuelle Rezeptur verordnet war. Mehrere Zyto-Apotheker erkannten die Vereinbarung nicht an und rechneten weiter nach Hilfstaxe ab. Die Kasse ließ sich das nicht gefallen.

Der Apotheker aus Neuruppin klagte gegen die AOK, die auf Grundlage der Vereinbarung zwischenzeitlich rund 200.000 Euro retaxiert hatte. Ihm geht es nicht nur ums Geld. Aus seiner Sicht ist die Umwidmung einer verordneten Rezeptur in ein Fertigarzneimittel ein Eingriff in die ärztliche Therapiehoheit. Die ergänzende Vereinbarung zwischen AOK und LAV sei daher unwirksam. Der Verband habe kein Mandat für einen solchen Vertrag gehabt, zudem seien die vereinbarten Preise nicht auskömmlich.

Das Sozialgericht Neuruppin hatte schon im September 2013 der Kasse recht gegeben. Im Dezember 2016 bestätigte das LSG die Entscheidung. In der jetzt vorliegenden Begründung führen die Richter aus, warum die Absetzung aus ihrer Sicht in Ordnung war. Bei der Vereinbarung zwischen Kasse und LAV handelt es sich demnach um eine wirksame rechtliche Grundlage für eine Retaxierung.

Aus Sicht der Zyto-Apotheker hätte der Verband Rücksprache halten müssen, bevor er solche Vereinbarungen schließt. Denn immerhin seien nur 14 der rund 650 Mitglieder in diesem Bereich tätig. Das Gericht wollte aber eine „begrenzte Vertragsabschlusskompetenz“ nicht annehmen, zumal auch die Zyto-Apotheker ihrem Verband freiwillig beigetreten seien. Mit der Vereinbarung sei zudem nur der Arzneiliefervertrag des Deutschem Apothekerverbands (DAV) ergänzt worden.

Laut LSG wurden die Zyto-Apotheker mit der Vereinbarung auch nicht in ihren Grundrechten verletzt. Zudem habe niemand Anspruch auf „unveränderte Wettbewerbsbedingungen und Marktverhältnisse“. Die Richter beziehen sich dabei auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. November 2015, wonach Kassen sogar exklusive Zyto-Verträge schließen und andere Apotheken mit Nullretaxationen von der Versorgung komplett ausschließen können. Ein Abschlag von 1,75 Prozent auf jede Rezeptposition sei eindeutig ein geringerer Eingriff.

Der Vertrag zwischen Kasse und Apothekerverband ist laut Urteil auch nicht deshalb unwirksam, weil nur die LAV-Vorsitzende Dr. Andrea Lorenz unterschrieben hatte. Dass laut Satzung immer mindestens ein weiterer Vorstand Verträge zeichnen muss, soll laut Urteil vor „Alleingängen“ schützen. Davon sei in diesem Fall aber nicht auszugehen, da dem Vertragsschluss ein einstimmiger Vorstandsbeschluss zugrunde gelegen habe.

Das LSG hat Revision zum BSG zugelassen. Der retaxierte Apotheker will sich noch mit seinen Anwälte besprechen, ob er weiter vor Gericht gegen die Retaxation kämpfen wird, teilte er gegenüber APOTHEKE ADHOC mit.

Womöglich werden sich die Gerichte demnächst mit neuen Retaxfällen in der Zytoversorgung befassen müssen. Denn die Ersatzkassen haben angekündigt, ihre kurzfristig abgeschlossenen Exklusivverträge mit allen Mitteln durchzusetzen, obwohl diese nach wenigen Monaten definitiv verboten sein werden. Aus Sicht von Barmer, TK und KKH gilt die freie Apothekenwahl jedoch erst nach der Übergangsfrist von drei Monaten. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sieht das ganz anders: „Es herrscht Apothekenwahlfreiheit ab Inkrafttreten des AM-VSG“, sagte eine Sprecherin. Zuvor hatte sich schon die Parlamentarische Staatssekretärin im BMG, Annette Widmann-Mauz (CDU), entsprechend geäußert.

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