Nullretax, weil Dosierung fehlt Nadine Tröbitscher, 11.12.2017 08:00 Uhr
Rote Karte von der Krankenkasse: Einem Apotheker aus Sachsen-Anhalt flatterte in den vergangenen Tagen eine Rezeptur-Retaxation ins Haus. Auch wenn das Lehrgeld gering ist, hat er viel Arbeit und Ärger.
Verordnet war eine Pflegecreme für ein Kind – wirkstofffrei und nicht verschreibungspflichtig. Was auf dem Rezept jedoch fehlte, war die Gebrauchsanweisung. Die AOK in Halle nutzte den Verstoß gegen die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) und retaxierte auf Null. „Der Ärger ist gering, die Creme war mit drei Euro und ein Paar Krummen günstig“, so der Apotheker. „Die Kasse hat ihre Chance genutzt und angefangen zu retaxieren.“
Die Kasse nutzte § 2 der AMVV, demnach muss bei Arzneimitteln, die in der Apotheke hergestellt werden sollen, eine Gebrauchsanweisung auf der Verordnung angegeben werden. Fehlt der Hinweis durch den Arzt, darf der Apotheker heilen und die Angabe in Rücksprache mit dem Mediziner ergänzen. Die Korrektur muss vom Abgebenden mit Datum und Unterschrift auf dem Rezept abgezeichnet werden. Auf dem Etikett muss nach § 14 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) neben Angaben zu den Wirkstoffen nach Art und Menge und sonstigen Bestandteile auch eine Gebrauchsanweisung angegeben werden.
Ohnehin muss im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nach § 7 die Prüfung der Dosierung erfolgen. Fehlt die Angabe auf dem Rezept oder hat der Kunde vom Arzt schriftlich kein Dosierschema erhalten, muss eigentlich Rücksprache gehalten werden. Ein Graubereich. Denn der Apotheker könnte sich auch an die allgemein vorgeschriebene Dosierung aus den Tabellen für die Rezeptur in DAC/NRF orientieren. „Die exakte Dosierung kennt sowieso nur der Arzt und geht die Apotheke auch nichts an“, so der Apotheker: „Die Reichdauer ist uns nie zu 100 Prozent bekannt, wir wissen ja gar nicht, wie groß die betroffenen Körperstellen sind. Wir machen nur, was die Ärzte vorgeben.“ Die Überprüfung der Reichdauer ist eines der in der Plausibilitätsprüfung zu beurteilenden Kriterien.
Bisher wurden die fehlenden Dosierungen von den Apothekenmitarbeitern nicht ergänzt, dies wird sich nun ändern. „Wir versuchen alle Rezepte zurückzuholen um die Gebrauchsanweisung nachzutragen. Da werden wohl auf die Kasse Kosten zukommen, meist werden die Rezepte per Einschreiben geschickt.“ Vor dem Apotheker liegt ein Berg Arbeit, der Glück im Unglück hat, denn von den Mitarbeitern werden nur wenige Rezepturen hergestellt. Ein Kollege in unmittelbarer Nähe eines Hautarztes hätte einen weitaus höheren Aufwand.
Apotheken kämpfen deutschlandweit mit den Fehlern der Ärzte. Eine Umfrage von APOTHEKE ADHOC im Sommer 2016 brachte die häufigsten Probleme ans Licht. Die Kompatibilität der Ausgangsstoffe bemängelten 64 Prozent der Teilnehmer. Ebenfalls schwer tun sich die verordnenden Ärzte anscheinend mit der Dosierung. Hier berichten 42 Prozent von Problemen, 39 Prozent beklagen häufig eine falsche Grundlage. Es folgen die Fehler „falsche Anwendungshinweise“ und mit 16 Prozent und das weniger triviale „falsche Inhaltsstoffe“ mit 12 Prozent. Eine falsche Applikation bemängeln dagegen nur 2 Prozent der Teilnehmer.
Die Zahlen sagen nichts über die tatsächliche Häufigkeit der jeweiligen Fehler aus, sondern spiegeln nur die Häufigkeit ihres Auftretens im Verhältnis untereinander. Festzuhalten ist, dass das Problem in der Offizin präsent ist: Nur 10 Prozent der Teilnehmer gaben an, Fehler bei der Verordnung von Rezepturen kämen „so gut wie nie vor“.