Zyto-Retaxationen

AOK: Keine Wahlfreiheit für Krebspatienten

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Berlin -

Die AOK Hessen hält an ihren Retaxationen im Rahmen ihrer Zyto-Verträge fest. Die bis zu sechsstelligen Beträge wurden bei den Rechenzentren bereits abgesetzt, mit der nächsten Abrechnung werden rund ein Dutzend Apotheken belastet, die ohne Vertrag Krebspatienten versorgt hatten. In der jetzt vorliegenden Begründung der Retaxationen trägt die AOK ausführlich vor, warum das Recht auf eine freie Apothekenwahl in der Zytostatikaversorgung eingeschränkt ist.

Die AOK hatte Apotheken retaxiert, die im Dezember onkologische Arztpraxen mit Sterilrezepturen beliefert hatten, obwohl sie keinen Exklusivvertrag mit der Kasse geschlossen hatten. Insgesamt geht es dem Vernehmen nach um rund 800.000 Euro.Der Hessische Apothekerverband (HAV) hatte für 13 betroffene Apotheken Widerspruch eingelegt und auf die Wahlfreiheit der Patienten und den Kontrahierungszwang der Apotheken verwiesen.

Die AOK weist die Einsprüche zurück: Die freie Wahl einer Apotheke sei in der Versorgung mit parenteralen Zubereitungen in der onkologischen Anwendung der absolute Ausnahmefall. Vor diesem Hintergrund sei der Direktbezug zwischen Arzt und Apotheke überhaupt möglich. Dies wird laut Kasse ohne nennenswerte Ausnahmen so praktiziert.

Die AOK beruft sich auf eine Entscheidung der Vergabekammer des Bundes, wonach in diesen Fällen „die Wahlfreiheit der Versicherten faktisch gar nicht zum Tragen kommt“, da die unmittelbare Beschaffung der Zubereitungen durch den Versicherten praktisch nicht vorkomme. Auch die AOK sieht in der Versorgung „ein klares Regel-Ausnahmeverhältnis zuungunsten der Versichertenwahlfreiheit“.

Der HAV hatte seinen Einsprüchen gegen die Retaxationen schriftliche Erklärungen der Patienten beigelegt, dass diese explizit von ihrem Apothekenwahlrecht Gebrauch machten. Die AOK ließ sich auch davon nicht überzeugen: Aus den gleichlautenden formularmäßigen Erklärungen ergebe sich in keiner Weise, dass die Versicherten tatsächlich ihre Wahlfreiheit ausgeübt hätten. „Im Gegenteil ist anhand der Erklärungen gerade nicht davon auszugehen, dass das in dieser Weise erfolgte“, so die Kasse.

Überdies können Rabattverträge aus Sicht der AOK „die Apothekenwahlfreiheit der Versicherten verdrängen beziehungsweise überlagern“. Die Vergabekammer des Bundes gehe von einem Vorrang speziellerer Regelungen aus, heißt es in der dreiseitigen Begründung der Retaxation. Auch in anderen Bereichen sei es nicht so, dass die Wahlfreiheit „als absolutes Recht über jedweden Wirtschaftlichkeitserwägungen steht“.

Der HAV hatte noch vorgetragen, dass die Apotheken laut Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) zur Versorgung der Patienten verpflichtet gewesen seien. Eine Apotheke hatte sich sogar vom Regierungspräsidium schriftlich bestätigen lassen, dass der Kontrahierungszwang uneingeschränkt bestehe.

Die AOK wies auch dieses Argument zurück: Das Recht der Kassen auf exklusive Vereinbarungen sei im Sozialgesetzbuch verankert, das die ApBetrO als „lex superior“ verdränge. Mit ihrer europaweiten Ausschreibung habe die Kasse von ihrem Recht Gebrauch gemacht, die Versorgung durch Verträge mit einzelnen Apotheken sicherzustellen. „Demnach entfiel die Lieferberechtigung und Lieferverpflichtung von anderen Apotheken“, so die AOK.

Ein Verstoß gegen die ApBetrO sei aber ohnehin nicht anzunehmen: Lehne die Apotheke die Belieferung der Verordnung ab, seien trotzdem keine Verzögerungen in der Versorgung zu erwarten, schreibt die Kasse.

Die Kasse erinnert auch daran, dass sie Mitte November auf den Start der Rabattverträge im Dezember hingewiesen habe. Schon damals habe man explizit erklärt, dass den Apotheken ohne Exklusivvertrag parenterale Zubereitungen nicht mehr erstattet würden. Die Verordnungen hätten demnach an die Praxen zurückgeschickt werden müssen. Die AOK kommt zu dem Schluss, dass die Abrechnungen unzulässig gewesen seien. Ein Vergütungsanspruch der Apotheken bestehe nicht. Die Kasse hält deshalb an ihren Forderungen fest.

Der HAV hatte für diesen Fall den Gang vor Gericht ankündigt. Sogar ein Nachtragshaushalt von 15.000 Euro wurde schon bewilligt. Ob das angekündigte Verfahren schon eingeleitet wurde, war bislang nicht zu erfahren. Das letzte Wort im Retax-Streit dürfte aber noch nicht gesprochen sein.

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