Novitas BKK: Kassen gehen auf Distanz Patrick Hollstein, 30.12.2011 13:26 Uhr
Für die Novitas BKK, die BKK vor Ort und die BKK Hoesch könnte es nach den massenhaften Retaxationen von BTM-Rezepten im neuen Jahr ein böses Erwachen geben. Denn die drei Kassen stehen mittlerweile ziemlich alleine da: Dass sich sogar der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn (CDU), öffentlich gegen den „Retax-Irrsinn“ stellte, zeigt, wie geschlossen die Front gegen die Clique um den Rezeptprüfer Protaxplus ist. Selbst andere Krankenkassen reagieren mit Unverständnis.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte vor einigen Wochen von den Kassenverbänden Stellungnahmen zum Vorgehen der Kollegen verlangt. Zwar wollen sich die Versicherer das Recht auf Retaxationen nicht nehmen lassen – doch eher als Warnschüsse gegenüber den Apotheken und ihren Verbänden. Massenhafte Rechnungskürzungen aufgrund von Formfehlern lehnen dem Vernehmen nach alle großen Verbände ab.
Auch die Knappschaft-Bahn-See, auf deren Retaxationen die Novitas BKK in ihrem Rechtfertigungsschreiben an die Bezirksregierung Düsseldorf hingewiesen hatte, geht auf Distanz: Anders als die Novitas BKK habe man nach der systematischen Überprüfung von BTM-Rezepten im Sommer 2010 mit den Apothekerverbänden eine „partnerschaftliche Lösung des 'Problems'“ gesucht: Die Retaxationen seien gegenüber Apotheken, die sich seitdem nichts zuschulden kommen lassen haben, eingestellt worden – bis heute seien keine Rechnungskürzungen vorgenommen worden. Im Übrigen kenne man die Kriterien der Novitas BKK nicht; offenbar sei aber ein „bedeutend engerer Prüfrahmen“ angesetzt worden.
Beim Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde der Kassen hat man sich dagegen noch keine Meinung gebildet: Die Prüfung der Angelegenheit sei noch nicht abgeschlossen – wann dies der Fall sein werde, sei zur Zeit noch nicht abzusehen.
Weiter war man schon Ende November beim GKV-Spitzenverband: Man werde die Vorgänge zum Anlass nehmen, „die Problematik von Null-Retaxationen aufgrund von Formfehlern mit den Verbänden der Krankenkassen auf Bundesebene zu erörtern“, schrieb Verbandschef Dr. Doris Pfeiffer damals an die SPD-Abgeordnete Bärbel Bas. Und fügte hinzu, dass Nullretaxationen aufgrund von Formfehlern, die weder sicherheitsrelevant seien noch Missbrauch vermuten ließen, „mit wenig Augenmaß veranlasst“ zu sein schienen.
Unterdessen kämpft zumindest die BKK Hoesch ums Überleben: Wegen des Zusatzbeitrags von 15 Euro hat jeder Dritte der Kasse den Rücken gekehrt. Wie „Der Westen“ berichtet, fand kurz vor Weihnachten eine Verwaltungsratssitzung statt, bei der nicht nur über die Überschuldung und die gescheiterten Fusionsverhandlungen gesprochen wurde, sondern auch nach Verantwortlichen gesucht wurde.