Alle 14 Tage wieder, jeweils zum 1. und 15. des Monats, sorgen Absenkungen der Listenpreise für Lagerwertverluste. Einen für eine Apothekerin aus Berlin dramatischen Preisrutsch gab es zum Jahresende beim Präparat Aimovig der Firma Novartis. Steffi Linke von der Berliner Arminius-Apotheke verlor auf einen Schlag 8600 Euro. Novartis stellt sich stur und will keinen Ausgleich leisten.
Die Apothekerin ist sauer: „Während generische Firmen jeden Cent erstatten, lassen viele große Konzerne die Apotheken mit den Verlusten alleine. Aktuell kann ich einen Betrag von fast 8600 Euro für das Präparat Aimovig der Firma Novartis abschreiben.“ Ein Telefonat mit einer Novartis-Mitarbeiterin endete laut Linke ohne Ergebnis und war unfreundlich: „Ich wurde auf die AGB verwiesen und das war es.“ Dabei gehe es auch anders: Lilly hatte zeitgleich für das Arzneimittel Emgality seine Preise gesenkt. Dort konnte Linke allerdings ihren Lagerwertverlust von rund 1000 Euro problemlos online eingeben. „Der Betrag wird erstattet“, so Linke.
Als Apotheke, die eine Schwerpunktpraxis für Schmerzpatienten bedient, hat Linke immer einen gewissen Vorrat an Präparaten auf Lager. Bei Aimovig beträgt ihr monatlicher Bedarf regelmäßig rund 35 Packungen unterschiedlicher Größe und Dosierung im Wert von knapp 50.000 Euro: „Die Patienten benötigen das Arzneimittel kurzfristig“, so Linke. Die Apothekerin findet das Verhalten von Novartis daher „unfair“ und erwartet, dass der Konzern seine Preissenkungen nicht nur kurzfristig über die Lauer-Taxe umsetzt, sondern längerfristig ankündigt, damit sie sich mit ihrer Lagerhaltung darauf einstellen kann.
Jetzt bleibe sie auf dem Schaden von 8600 Euro sitzen, ärgert sie sich. Bei einem Honorar von 12 Euro pro Packung müsse sie jetzt erst wieder über 700 Packungen abgeben, bis sie den Betrag wieder reinholen könne. Novartis bleibt bei seiner Position: „Aufgrund der sehr kurzfristigen Verfügbarkeit von Aimovig – Lieferung innerhalb weniger Stunden nach Bestellung beim Großhandel – findet bei Offizinapotheken in der Regel nur eine geringe Bevorratung statt. Daher bietet Novartis keinen pauschalen Ausgleich von Lagerwertverlusten.“ Die Preisänderungen würden stets an die IfA (Informationsstelle für Arzneispezialitäten) gemeldet und in der Lauer-Taxe veröffentlicht. Und: „Der angeführte Betrag von 8600 Euro Lagerwertverlust für Aimovig wäre nur im Falle einer ungewöhnlich hohen Bevorratung des Medikaments (über 50 Pens) erklärbar. Aufgrund der im Bedarfsfall sehr kurzfristigen Abrufbarkeit des Medikaments raten wir unseren Kunden von einer Bevorratung in dieser Höhe generell ab“, so der Konzern auf Nachfrage.
Auch bei anderen Herstellern kommt es immer wieder zu Ärger wegen Lagerwertverlusten: Vor anderthalb Jahren reagierte Janssen beispielsweise erst nach massiver Kritik aus der Apothekerschaft und erstattete rückwirkend und ausnahmsweise zum 1. August 2018 die Lagerwertverluste für Symtuza. Der Konzern blieb aber bei seiner Haltung, Lagerwertverluste nicht generell allein zu schultern.
Janssen hatte zum 15. August 2018 den Preis für Symtuza massiv gesenkt. Hintergrund war eine Reduktion des Erstattungsbetrages nach Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband. Die Apotheken wurden allerdings erst am 27. Juli über die Preisänderung informiert. Die daraus resultierenden Lagerwertverluste werde man nicht ausgleichen, teilte der Konzern zunächst mit. Betroffen waren vor allem spezialisierte Apotheken, die größere Bestände an Lager hatten.
Entsprechend deutlich war die Kritik: Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft der HIV- und Hepatitis-kompetenten Apotheken (DAH²KA) nannte das Vorgehen Janssens „menschenverachtend“, da Apotheker gezwungen würden, schwerkranke Menschen auf ihre Arzneimittel warten zu lassen, wenn sie ihr Bestellverhalten dem Vorschlag des Herstellers entsprechend angepasst hätten. Die damalige Deutschlandchefin Dr. Iris Zemzoum wies die Kritik zwar zurück, künftigte aber auch eine partnerschaftliche Lösung an. Rückwirkend wurde eine Kulanzregelung für Härtefälle eingeführt: Wenn zwischen der Information der Apotheken über das konkrete Datum der Preisänderung und dessen Inkrafttreten weniger als drei Wochen lagen und die Preisdifferenz mehr als 50 Euro pro Packung betrug, bot Janssen allen Apotheken eine Erstattung aus Kulanz an.
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