Wegen des leicht vorgezogenen OTC-Switches dürfen Apotheker schon am Wochenende die „Pille danach“ ohne Rezept abgeben. Für einige Pharmazeuten stellt sich aber die Frage, ob oder unter welchen Umständen sie dies auch tun müssen. Hier – rechtlich unverbindlich – die Antworten auf einige wichtige Fragen.
Darf ich die Abgabe der „Pille danach“ grundsätzlich verweigern?
Die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sieht einen Kontrahierungszwang ausdrücklich nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel und verordnete OTC-Arzneimittel vor. Darin heißt es: „Verschreibungen von Personen, die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigt sind, sind in einer der Verschreibung angemessenen Zeit auszuführen.“ Die Abgabe der „Pille danach“ auf Rezept, also künftig nur noch an unter 20-Jährige, ist daher erst einmal verpflichtend.
Für OTC-Arzneimittel gibt es keine entsprechende gesetzliche Grundlage. Die Abgabe kann laut ApBetrO bei Missbrauchsverdacht verweigert werden. Der Kontrahierungszwang wird aber grundsätzlich aus der Apothekenpflicht abgeleitet. In der Kommentierung zur ApBetrO wird eine Abgabepflicht im Notdienst daher auch für OTC eindeutig erkannt. Ob diese Pflicht auch zu den normalen Öffnungszeiten besteht, ist dagegen umstritten. Je nach Bundesland und den entsprechend zuständigen Aufsichtsbehörden müssen Apotheker aber mit Schwierigkeiten rechnen, wenn sie die Abgabe ohne ersichtlichen Grund verweigern.
Darf ich die Abgabe der „Pille danach“ aus Überzeugung verweigern?
Schwierig. Ein Apotheker kann jeder Zeit pharmazeutische Bedenken gegen eine Abgabe geltend machen, sofern sich diese begründen lassen. Ethische, moralische oder religiöse Bedenken fallen nicht in diese Kategorie. Mit dieser Begründung dürfte es also auch Ärger mit der Aufsicht geben. Gemäß der Güterabwägung kommt es auf den Einzelfall an: Hat die Patientin Alternativen? Tagsüber in einer Großstadt ist mehr möglich als im Notdienst in der einzigen Apotheke eines entlegenen Dörfchens.
Was ist, wenn ich grundsätzlich und in jedem Fall pharmazeutische Bedenken gegen die „Pille danach“ als Arzneimittel habe?
Ist juristisch nicht geklärt, dürfte bei einem zugelassenen Arzneimittel aber schwierig sein – sofern es sich nicht um ein bedenkliches Arzneimittel nach §5 Arzneimittelgesetz (AMG) handelt.
Muss oder darf ich die „Pille danach“ an Mädchen unter 14 Jahren abgeben?
Die Präparate sind jeweils zugelassen für Frauen im gebärfähigen Alter. Das abzuklären ist nicht Aufgabe des Apothekers. Nach dem Gesetz sind unter 14-Jährige nicht geschäftsfähig und die „Pille danach“ fällt trotz der #wiesmarties-Debatte nicht unter den Taschengeldparagrafen. Heißt: Die Abgabe an unter 14-Jährige wird nur im Beisein eines Erziehungsberechtigten empfohlen. Niemand muss in der Apotheke seinen Personalausweis vorlegen, Apotheker dürfen dies auch nicht verlangen. Aber sie dürfen die Abgabe verweigern, wenn sie Zweifel an der Geschäftsfähigkeit ihres Gegenübers haben.
Darf ein Dritter, beispielsweise der Partner, die „Pille danach“ abholen?
Das Versandverbot für Notfallkontrazeptiva wird vom Gesetzgeber nicht nur mit der schnellen Verfügbarkeit begründet, sondern auch mit der besonderen Bedeutung einer persönlichen Beratung zur „Pille danach“. Der Einsatz eines „Boten“ ist nicht grundsätzlich verboten, so lange mit diesem relevante Fragen zur Indikation abgestimmt werden können. Dies dürfte in der Praxis etwa hinsichtlich der Frage nach der letzten Regelblutung nicht immer einfach sein. Gegebenenfalls kann auch zusätzlich telefonisch Rücksprache mit der Betroffenen gehalten werden.
Ein kategorisches Verbot der Abgabe an einen Dritten besteht also nicht, Apotheker sollten dabei aber besonders vorsichtig sein und können die Abgabe verweigern, wenn ihre Bedenken nicht ausgeräumt sind.
Dürfen noch die alten Rx-Packungen abgegeben werden?
Hierzu gibt es abweichende Meinungen: Aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) gilt die Anpassung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) auch für Notfallkontrazeptiva mit Levonorgestrel – und zwar sofort. „Levonorgestrel-Packungen können nach Auffassung des BMG nach Inkrafttreten der AMVV ohne Rezept abgegeben werden, auch wenn sie noch als verschreibungspflichtig gekennzeichnet sind“, heißt es aus dem Ministerium.
Die Berliner Apothekerkammer teilt mit, dass Altpackungen „nur bei Vorlage einer ärztlichen Verschreibung abgegeben werden“ dürfen. Ergänzend könnten die Patientinnen darauf hingewiesen werden, dass ab Montag die regulären OTC-Packungen in der Apotheke erhältlich sind.
Anders sieht man es beim Bayerischen Apothekerverband. In München geht man davon aus, „dass die als 'verschreibungspflichtig' gekennzeichneten Notfallkontrazeptiva ab morgen auch bei Vorlage einer Verschreibung und unabhängig vom Zulassungsstatus nicht mehr verkehrsfähig sind“. Dabei beruft sich der Verband auf das Arzneimittelgesetz (AMG), das sowohl die Kennzeichnung apotheken- beziehungsweise verschreibungspflichtig vorschreibt als auch das Inverkehrbringen von Arzneimittel mit irreführender Bezeichnung verbietet.
Was soll ich bei der Beratung abklären?
Betroffenen sollte das Wirkprinzip der Notfallkontrazeptiva erläutert, außerdem mögliche Kontraindikationen und Wechselwirkungen abgeklärt werden. Stillenden wird eine Stillpause von acht Stunden bei Levonorgestrel und einer Woche bei Ulipristal empfohlen. Die Einnahme sollte so schnell wie möglich erfolgen, Mahlzeiten spielen keine Rolle. Die Mehrfacheinnahme oder ein Wirkstoffwechsel pro Zyklus wird nicht empfohlen. Wichtig ist auch der Hinweis, dass eine erneute Einnahme geboten ist, wenn die Patientin innerhalb von drei Stunden nach der ersten Einnahme erbricht.
Zum Arzt schicken sollten Apotheker die Patientin, wenn der ungeschützte Geschlechtsverkehr mehr als 120 Stunden zurückliegt, der Verdacht auf eine Schwangerschaft oder das Risiko auf sexuell übertragbare Erkrankungen besteht. Auch akute Gesundheitsprobleme oder chronische Erkrankungen indizieren einen Arztbesuch.
Von den Frauenärzten kommt noch folgender Tipp: Wichtig sei der Hinweis, dass bis zum Ende des nächsten Zyklus die „normale“ Pille weiterhin genommen werden oder mit Barrieremethoden verhütet werden muss. Den Anstieg an Schwangerschaftsabbrüchen in anderen Ländern nach der OTC-Freigabe schreiben Mediziner dem verbreiteten Irrglauben zu, nach der Einnahme der „Pille danach“ ungeschützten Verkehr ohne die Gefahr einer Schwangerschaft haben zu können.
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