Nicht nur RTL-Reporter, auch Lokaljournalisten sind derzeit undercover in Apotheken unterwegs. In Bonn schickte der General-Anzeiger eine 21-Jährige Mitarbeiterin los. Auf einer Wegstrecke von zehn Gehminuten ließ sie sich in fünf Apotheken beraten. Ihr Fazit: Es gibt gute Beratung in den Apotheken. Dank des Leitfadens der Bundesapothekerkammer (BAK) waren die besuchten Apotheken ausreichend vorbereitet.
Nachdem Bischöfe, Frauenärzte und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in der Vergangenheit vielfach gewarnt hatten, wagt die junge Frau den Selbsttest. Ihre Kenndaten behält sie: 21 Jahre, nimmt seit fünf Jahren eine östrogen- und gestagenhaltige Pille, letzte Periode vor neun Tagen. „Dazu erfand ich, dass ich mit meinem Freund vor zwei Tagen übers Wochenende ins Ausland gereist bin“, schreibt sie. „Am ersten Urlaubstag hätten wir Sex gehabt. Ich hätte erst danach gemerkt, dass ich die Pille zu Hause vergessen hatte.“
Zunächst ließ sich die Testkäuferin von der Frauenärztin Karin Siefert erklären, worauf sie zu achten sei – und die Medizinerin lieferte eine lange Liste. „Die Apotheker sollten fragen, wie lange der Sex her ist und wann Sie Ihre letzte Periode hatten“, so die Frauenärztin. Es müsse sichergestellt werden, dass keine Schwangerschaft bestehe. Sie müsse gefragt werden, ob sie stille. Außerdem müssten Asthma und Allergien ausgeschlossen werden.
Die Apotheker sollten der Frauenärztin zufolge darauf hinweisen, dass eine zweite Tablette eingenommen werden muss, wenn sich die Frau nach der ersten übergibt. Wichtig auch der Hinweis, dass bis zur nächsten Periode mit Kondom verhütet werden muss und ein Schwangerschaftstest beim Arzt durchgeführt werden sollte, wenn diese deutlich schwächer ausfällt. „Außerdem sollten die Apotheker Sie in ein Zimmer führen, wo das Gespräch intim ablaufen kann.“
Die Tarnung zumindest war gut: „Ich habe nichts geahnt“, sagt Mareike Hackbarth aus der Apotheke am Friedensplatz. Sie konnte die Testkäuferin besonders beeindrucken: Die Apothekerin habe die Fragen des BAK-Leitfadens sogar schon auswendig gekonnt, schreibt die Journalistin. Hackbarth erklärt, sie habe einige Tage zuvor die Online-Schulung der Apothekerkammer Nordrhein absolviert, und ist darüber nun sehr froh. Außerdem sei das Thema schließlich ausführlich in den Nachrichten diskutiert worden.
In anderen Apotheken waren die Mitarbeiter noch nicht so sattelfest. „In der Bahnhof-Apotheke war die Überraschung groß. 'Moment, da muss ich erst einmal die Unterlagen holen'“, schildert die Testkäuferin die Reaktion auf ihren ersten Besuch. Sie wurde in eine abgegrenzte Ecke der Apotheke geführt, dann kam die Mitarbeiterin mit dem BAK-Leitfaden zurück.
Die Fragen wurden abgearbeitet. „Die Mitarbeiterin beachtet all die Punkte, die Siefert von den Apotheken erwartet und verlangt“, so die Journalistin. Am Ende habe sie ein Glas Wasser erhalten, um die Pille sofort einnehmen zu können. Da erklärt sie, dass sie das Präparat eigentlich gar nicht brauche.
Ähnlich sei es in der Einhorn-Apotheke, der Münster-Apotheke und der Löwen-Apotheke abgelaufen. Inhaberin Barbara Scholl erzählt, sie habe für ihre Mitarbeiterin den BAK-Leitfaden bereit gelegt – damit nichts vergessen wird, wenn es doch mal stressig wird. Auch in der Löwen-Apotheke hat man nicht geahnt, dass die junge Frau eine Testkäuferin war: „Sie hat alle Fragen beantwortet, und erst ganz zum Schluss ist rausgekommen, dass sie das Präparat gar nicht brauchte. Aber sie hat sich noch für die gute Beratung bedankt“, so Scholl.
Bei ihrer Tour durch die Apotheken stellte die Testkäuferin auch fest: „Ein bisschen überrascht sind sie alle, als die die 'Pille danach' verlange.“ Kein Wunder: Außer der Testkäuferin hat zumindest bei Scholl, Hackbarth und in der Münster-Apotheke noch niemand ein rezeptfreies Notfallkontrazeptivum verlangt.
In der Bahnhof-Apotheke war die Testkäuferin die erste Kundin, die EllaOne verlangte. „Sie war sehr gut informiert“, sagt Apothekerin Petra Sinning. Sie habe keinen Verdacht geschöpft, irritiert habe sie lediglich, dass die Kundin ihre Kapuze mit einem großen Pelzkragen nicht abnahm. „Sie hatte wohl Angst, erkannt zu werden.“
Die Bahnhof-Apotheke hat auf Grundlage des BAK-Leitfadens, des Fragebogens von Hersteller HRA Pharma und der Empfehlungen eines Kollegen einen eigenen Fragebogen entwickelt. „Der kommt sehr gut an, bei den Kunden und bei der Testkäuferin auch“, so Sinning. Das Beratungsgespräch sei sehr ruhig und sachlich verlaufen – wie auch alle anderen EllaOne-Gespräche seitdem.
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