Anke Kunzendorf, Inhaberin der Glauburg-Apotheke in Glauburg (Hessen), wollte mit zwei weiteren Apotheken, nämlich aus Ortenberg und Ranstadt, den Notdienstkreis wechseln. Warum? Der Tausch hätte für alle beteiligten Betriebe in beiden Dienstbezirken zur Folge, dass der Turnus sich verlängern würde. Logisch, dass hiermit alle einverstanden wären. Nicht so die Landesapothekerkammer.
Bereits 2020 beantragte Kunzendorf, den Notdienstkreis mit zwei weiteren Kolleg:innen zu wechseln. Für die drei Apotheken hätte sich der Turnus von acht auf zwölf Tage verlängert, für die Kolleg:innen, die im ursprünglichen Kreis verblieben wären, immerhin um einen Tag auf einen 9-Tage-Rhythmus. Mit dem Wechsel hätte sich also die Situation also für alle Apotheken in beiden Bezirken verbessert.
Eine erste Reaktion der Kammer klang noch positiv: Die Geschäftsstelle signalisierte, dass man durchaus versuchen könne, einen Vorteil für alle Beteiligten zu erwirken. „Dann hätten sie ja weniger Notdienste“, bekam Kunzendorf telefonisch als Antwort.
Die Notdienstregelung der Apothekerkammer sieht vor, dass eine Apotheke von der ständigen Dienstbereitschaft befreit wird, sobald im Umkreis von 20 Kilometern eine andere Apotheken den Notdienst übernimmt. Allerdings ist nicht die Rede von der Entfernung zwischen den beiden Apotheken, sondern von einem Gemeindemittelpunkt zum nächsten:
„Die Apothekenbetriebsordnung geht in § 23 Absatz 1 von der ständigen Dienstbereitschaft der Apotheken aus. Eine Einschränkung von dieser Regelung findet sich in § 4 Absatz 2 Satz 2 Hessisches Ladenöffnungsgesetz, wonach die Landesapothekerkammer Hessen anordnen muss, dass in benachbarten Gemeinden mit mehreren Apotheken während der allgemeinen Ladenschlusszeiten ein Teil der Apotheken abwechselnd geschlossen sein muss. Dies dient der Entlastung des Apothekenpersonals und stellt dabei gleichzeitig die angemessene Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln im Notdienst sicher. In der Richtlinie der Landesapothekerkammer Hessen zur Durchführung der Dienstbereitschaft ist geregelt, dass Gemeinden dann als benachbart gelten, wenn deren Ortsmittelpunkte nicht weiter als 20 km voneinander entfernt sind, § 1 Absatz 2 Satz 2 der Richtlinie.“
Kunzendorfs Antrag müsse bedauerlicherweise abgelehnt werden, da die vorgegebenen 20 Straßenkilometer nicht eingehalten werden würden, schrieb die Kammer zum Antrag. Die Strecke zur nächsten dienstbereiten Apotheke sei für die Bevölkerung unzumutbar: „Die Entfernung zwischen Hammersbach Langen-Bergheim und Ranstadt liegt zwar bei 19,9 km, jedoch liegt die Entfernung zwischen Ranstadt und Hammersbach bei 20,3 km. Damit liegt die Entfernung außerhalb der 20 Straßenkilometergrenze.“
Wie kommt es aber nun zu dieser Differenz bei augenscheinlich gleicher Strecke? Das liegt daran, dass sich auf diesem Fahrtweg eine Autobahnauffahrt beziehungsweise -abfahrt befindet. Für die eine Strecke (nämlich von Ranstadt nach Hammersbach Langen-Bergheim) ist auf der Autobahn eine Schleife von etwa 400 Metern zu fahren, was ganze 300 Meter zu viel für einen Notdienstbezirkswechsel ist.
Das Verfahren hat die Apothekerin nicht weiterverfolgt. Ihre Nachforschungen haben ergeben haben, dass diverse Verfahren offensichtlich immer zugunsten der Kammer entschieden wurden. Ihren Vorschlag, an einer Verbesserung der Software zu arbeiten, wollte die Kammer ebenfalls nicht nachvollziehen: Das sei viel zu teuer.
Für Kunzendorf ist der Eindruck entstanden, dass die Kammer etwas großzügiger reagiert, wenn Apotheken schließen und folglich Notdienste wegfallen. Die Bereitschaften müssten schließlich auf die verbleibenden Apotheker:innen umgelegt werden. „Möchte man aber eine Besserung der Situation, gibt es keine Chance.“ Kunzendorf fragt sich, warum die Kammer so mit ihren Apotheker:innen umgeht. „Das soll unsere eigene Standesvertretung sein?“
Zwar wurden sämtliche Betriebe, die von dem Wechsel betroffen gewesen wären, von der Kammer angeschrieben und zu einer Stellungnahme aufgefordert – allerdings scheine man „null Interesse“ an den Rückmeldungen gehabt zu haben, so Kunzendorf. Von sämtlichen Beteiligten beider Apothekenkreise habe die Kammer schriftlich einstimmigen Zuspruch für den Wechsel erhalten. Fast jede Apotheke habe in ihrem Schreiben auch noch einmal deutlich gemacht, dass sie unter der Notdienstbelastung und dem kurzen Turnus leide. „Das kümmert die gar nicht.“
Mittlerweile ist der Weg für die Kund:innen sogar noch kürzer geworden: Im sieben Kilometer entfernten Nieder-Mockstadt hat eine weitere Apotheke geöffnet. Sie gehört in einen weiteren Notdienstkreis und hat alle 16 Tage Bereitschaft. Die Glauburg-Apotheke von Kunzendorf liegt an einem Eckpunkt – hat sie Notdienst, ist auch ein weiterer Betrieb im Umkreis von etwa zehn Kilometern in Bereitschaft.
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