In Hessen tobt ein Streit um den Notdienst. Zwar hat die Kammer angekündigt, dass es demnächst eine Entlastung geben soll. Jetzt hat aber Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) eine Ansage gemacht: Im Einzelfall sollen bis zu 30 Kilometer Entfernung erlaubt sein. Die stark betroffenen Apotheken hoffen nun, dass ihre Standesvertretung von dem Spielraum Gebrauch macht.
Christine Zentgraf von der Genius-Apotheke in Hilders im Osten von Hessen hat jede dritte Woche Notdienst – und zwar komplett. Insgesamt 17 Wochen ist sie also mit ihrem Betrieb pro Jahr eingeteilt. Grund ist, dass es in der Region nur wenige Apotheken gibt und dass die Standorte im benachbarten Thüringen natürlich nicht bei der Einteilung berücksichtigt werden. Die Apothekerin hat sich daher einer Gruppe von Kolleginnen und Kollegen angeschlossen, die eine Reform des Systems fordern. Und Ende Juni entschied sie sich, einen Brief an den Ministerpräsidenten zu schicken und ihn um Unterstützung zu bitten.
Zu ihrer großen Überraschung kam jetzt tatsächlich eine Antwort. Rhein weist darauf hin, dass das Ministerium im Juli mit der Landesapothekerkammer (LAK) „intensive und lösungsorientierte Gespräche zur Änderung der Dienstbereitschaftsrichtlinie geführt hat“. Insbesondere sei Einvernehmen darüber erzielt worden, die Maximalentfernung zwischen den öffentlichen Apotheken im ländlichen Raum anzuheben, um „den besonderen Belastungen der Inhaberinnen und Inhaber der öffentlichen Apotheken und ihres Personals Rechnung zu tragen“.
Und dann macht Rhein eine konkrete Zusage, die bislang überhaupt noch nicht öffentlich thematisiert wurde: „In konkreten Einzelfällen, in denen die Notdienstbelastung eine unzumutbare Härte darstellen würde, soll ausnahmsweise eine Anhebung auf maximal 30 Kilometer möglich sein.“
Mit den geplanten Anpassungen sei eine Erleichterung der Dienstbereitschaft hauptsächlich für aktuell stark belastete Landapotheken zu erwarten, so Rhein abschließend. „Über die konkrete Umsetzung und damit die Auswirkungen für jede einzelne Apotheke wird die Kammer in Kürze informieren.“
Tatsächlich hatte deren Geschäftsführer Ulrich Laut vor Kurzem angekündigt, dass die Notdienstbezirke ab dem kommenden Jahr aufgelöst und durch eine digitale Notdienstplanung ersetzt werden sollen. Dabei solle die Entfernung zwischen den Apotheken von 20 auf 25 Straßenkilometer angehoben werden, ausgenommen sind die Städte Frankfurt, Wiesbaden, Offenbach, Darmstadt und Kassel. Noch im September sollen weitere Informationen folgen.
Von 30 Kilometern war bislang allerdings nicht die Rede. Für Zentgraf und ihre umliegenden Kolleginnen und Kollegen könnte dies einen entscheidenden Unterschied machen. Denn zu ihrem Einzugsgebiet gehören neben Hilders mit sieben Apotheken die Gemeinden Ehrenberg mit ebenfalls sieben Apotheken und Tann mit nur drei Apotheken. Bei 20 Kilometern könnten etwa von Tann aus die Apotheken in Ehrenberg rausfallen – bei 30 Kilometern sähe es deutlich besser aus. Nun hofft sie, dass die Kammer von dem Spielraum auch Gebrauch macht. „Immerhin haben wir es ja jetzt schriftlich.“
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