In mehr als 30 Jahren Selbstständigkeit hat Volker Brüning einige kuriose Notdienst-Anfragen erlebt. Der Inhaber von vier Apotheken in Düren und Selm betont dennoch, wie wichtig die Extraschichten für die Kundschaft gerade in Zeiten der rückgehenden Apothekenzahl geworden sind. Denn mehrheitlich handele es sich um Notfälle.
Vergangenen Mittwoch stand Brüning einmal wieder bis spät nachts in der Apotheke. Bevor er sich um Mitternacht zum Schlafen im Notdienstzimmer verabschiedete, bediente er bereits viele Notfälle. „Die meisten kommen mit wichtigen Anliegen“, sagt er. Besonders oft würden Antibiotika, Schmerzmittel oder Produkte für Kinder angefragt. „In etwa 75 Prozent sind es wichtige, relevante Sachen.“
Der Apothekennotdienst habe „einen hohen Wert“, betont er. Gerade wegen der rückgehenden Zahl der Apotheken sei eine schnelle Notversorgung der Bevölkerung über die Apotheken wichtig. „Wir erleben es ja. Hier in Lünen haben zuletzt drei Apotheken geschlossen. Wir haben dadurch deutlich mehr Notdienste und mehr Kunden.“ Bis 22 Uhr kämen in der Innenstadtlage bis zu 30 Kundinnen und Kunden pro Stunde. An Sonntagen sei so viel mehr los, dass die Anfragen nur noch zu zweit zu bewältigen seien.
Die Vor-Ort-Apotheke sei wichtig. „Schade, dass wir darüber diskutieren müssen. Unsere schnellen Leistungen in der Coronazeit und auch davor wie etwa während der Schweine- und Vogelgrippe scheinen vergessen.“ In der Schnelle, die das noch bestehende Apothekennetz gewährleiste, sei die Versorgung nicht von anderer Stelle aus möglich.
In der Vergangenheit habe es jedoch auch Anfragen im Notdienst gegeben, die kurios waren. „Ich bin Mitte 50 und habe einige Dienste gemacht, da bleibt einem schon Einiges in Erinnerung.“ Ein Mann habe beispielsweise nach Mitternacht geklingelt und unbedingt eine Spritze und eine Kanüle verlangt. Auf Nachfrage habe er erklärt, er habe sich neue Laufschuhe gekauft und da am kommenden Tag ein Marathon anstehe, wolle er Salatöl in die Sohle spritzen, damit die Schuhe nicht quietschen. „Ich dachte mir nur, was für ein ‚Notfall‘. Aber wenn ich eh schon wach bin, dann helfe ich gerne“, sagt der Apotheker mit einem Schmunzeln.
Ein anderes Erlebnis drehte sich um eine junge Frau. Sie sei gegen 2 Uhr nachts gekommen und habe unbedingt ein reinigendes Gesichtswasser benötigt. „Ich habe sie gefragt, wie das denn um die Uhrzeit ein Notfall sein könne?“ Sie gab zurück, dass sie von der Disko komme und bei einem Mann übernachten wolle, aber ihrer Haut nicht durch schlechtes Abschminken schaden wolle. Der Inhaber empfahl ein Produkt aus der Dermakosmetik – als die Frau über den Preis von 20 Euro erschrak, habe er sie an die Dringlichkeit des „Liebesrausches“ erinnert. „Sie hat es tatsächlich gekauft.“
An Silvester sei es vorgekommen, dass Sondernahrung für eine Seniorin verlangt wurde. Eine Familie habe an das Festtagsessen, aber nicht an die spezielle Versorgung für die Oma gedacht. Natürlich werde auch Nasenspray angefragt oder Rezepte eingelöst, die bereits seit langem ausgestellt seien. „Schlimm wird es, wenn solche Anfragen nach 1 Uhr kommen. Was mich unruhig macht, sind die vielen Anrufe. Die Leute fragen, ob ich etwas vorrätig habe und rufen nochmal an, um nach der Adresse zu fragen.“ Einmal habe einer angerufen und gefragt, warum die Apotheke nicht öffne, nur um zu erfahren, dass er vor dem falschen Betrieb stand.
Besonders in Erinnerung ist Brüning eine private Weihnachtsfeier. Sein Vater – ebenfalls Inhaber – war für einen zweistündigen Zusatzdienst eingeplant. „Wegen einer Grippewelle hatte er so einen Ansturm, dass meine Schwester, die auch Apothekerin ist, und ich mit angepackt haben.“ Sie seien wegen eines geplanten Brunches im Rahmen der Familie festlich gekleidet gewesen, was bei der Kundschaft für ein Lächeln gesorgt habe. „So einen Service hätten sie noch nie erlebt.“ Der Vorteil bei drei Inhaber:innen sei gewesen, dass sie noch Produkte aus den jeweiligen Apotheken geholt hätten – und letztlich alle Anfragen versorgen konnten.
Der nächste Notdienst steht für den Inhaber erst wieder im April an. Um genügend Energie für weitere kuriose Anfragen zu haben, geht er davor erst einmal in den Urlaub und erholt sich vom Apothekenalltag.