Zeitumstellung

Notdienst +1 Stunde

, Uhr
Berlin -

Meteorologisch ist der Sommer seit dem 1. September vorbei, der Herbst startete kalendarisch vor gut fünf Wochen. Und jetzt verabschiedet sich auch die Sommerzeit. Was folgt, sind weder Herbst- noch Winter-, sondern die Normalzeit. Eine Umstellung hat Folgen: für Mensch, Tier, Gemüt und besonders für eher schlecht organisierte Zeitgenossen.

„Cool. Ich gewinne eine Stunde.“ Es ist Jahr für Jahr dieser Satz – und viele ähnliche, die am letzten Oktoberwochenende millionenfach den Deutschen und vielen anderen Europäern über die Lippen gehen. Dann hagelt es wieder Umfragen, ob die Sommerzeit überhaupt sinnvoll ist oder nicht und ob man sich den ganzen Aufwand nicht besser sparen sollte.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag werden die Uhren also um eine Stunde zurückgestellt. Ja: zurück. Nicht vor, schon gar nicht seitwärts. Einfach nur zurückstellen um eine Stunde. Und wieder hinlegen. Oder weiterfeiern. Denn die gewonnene Stunde ist mehr als nur ein Gefühl: Dieser eine Tag, in diesem Jahr der 29. Oktober 2017, hat 25 Stunden. Und ist sogar zwei Stunden länger als der letzte Sonntag im März. Denn dem wird genau diese Stunde ein halbes Jahr zuvor abgeknapst.

So wie die Schlafenden und Feiernden in den Genuss einer zusätzlichen Stunde kommen, so arg sind diejenigen gebeutelt, die beim Notdienstkalender einen „Treffer“ gelandet haben – und Dienst schieben dürfen. Denn der ist eine Stunde länger als sonst. In der Nacht- und Notdienstpauschale wird dieser Fakt nicht berücksichtigt. Mehr Honorar gibt es für diese Stunde also nicht. Pauschale bleibt Pauschale.

In den vergangenen Tagen war es wieder so weit: Zweimal jährlich werden Argumente gesammelt und ausgetauscht, die für oder gegen die Sommerzeit sprechen. Die Fans der Sommerzeit sind der Ansicht, es sei für die Deutschen besser, abends länger das Tageslicht nutzen zu können. Dadurch werde die Produktivität erhöht. Ob nun im Biergarten oder während der Spätschicht sei dahingestellt.

Andere Experten monieren hingegen, dass es mehrere Tage brauche, um sich an den neuen Rhythmus anzupassen. Das sei gesundheitsschädlich und verringere während der Umstellung auf eben den neuen Rhythmus die Produktivität. Und immer wieder werden Studien ins Feld geführt, in denen von schwankenden Hormonspiegeln die Rede ist. Und von Anpassungszeiträumen von bis zu vier Monaten. Dann macht das Beispiel von den Kühen die Runde, die mit dem neuen Melkzyklus nicht zurecht kommen. Wohl dem Landwirt, der einen Melkroboter sein Eigen nennt. Dann spielen Zeit und Raum fast keine Rolle.

Wie immer kurz vor der Zeitumstellung, meldeten sich die Spezialisten zu Wort. Da ist dann von Kopfschmerzen, Unkonzentriertheit und Unausgeglichenheit die Rede. Auch Schwankungen bei der Herzfrequenz seien zu beobachten: Die innere Uhr folge ihrem eigenen Takt und lasse sich nicht so einfach verschieben. Problematisch sei für viele Arbeitnehmer, dass ihnen abends das Sonnenlicht fehle. Das können zu einem Mangel an Vitamin D, zu Abgeschlagenheit und generell zu Müdigkeit führen.

Die Probleme mit der Sommer- und Winterzeit gibt es bereits seit knapp 100 Jahren. Erstmals wurde die Zeitumstellung mitten in den Wirren des Ersten Weltkriegs, sozusagen zu Kaisers Zeiten umgesetzt, und zwar am 30. April 1916 im Deutschen Reich, in Österreich-Ungarn und kurz darauf auch im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Irland. Ob Wilhelm II. irgendwelche Stimmungsschwankungen wegen der Änderung hatte, ist nicht bekannt.

1975 entschied sich die Mehrheit der Mitgliedstaaten der damaligen Europäischen Gemeinschaft für die Einführung der Sommerzeit. Zwei Jahre später folgte die Umsetzung. Der Hintergrund: Nach der Ölkrise 1973 sollte durch eine bessere Nutzung des Tageslichts Energie gespart werden. Ende 1994 wurden die unterschiedlichen Sommerzeitregelungen in der Europäischen Union vereinheitlicht. Die einheitliche Sommerzeit gilt seitdem in allen EU-Mitgliedstaaten.

Die Geschichte von der Energieersparnis entpuppte bei einer großen Studie vor einigen Jahren in den USA als wenig schlüssig. Dabei stellte sich heraus, dass es sogar eine leichte Steigerung der Energieausgaben gab, da die Einsparung an Strom für Beleuchtung durch den Mehrverbrauch an Heizenergie durch die Vorverlegung der Hauptheizzeit „überkompensiert“ wird. Trotzdem hält die Politik daran fest – wohlwissend, dass es sonst schon vor 3 Uhr hell und abends früher dunkel werden würde.

Vermutlich hat die Zeitumstellung überhaupt nur noch einen einzigen Zweck: Dass wir allhalbjährlich darüber reden und nicht merken, was die Stunde geschlagen hat.

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