Notdienst-Dilemma: Auseinzeln oder nicht? Katharina Brand, 10.06.2024 14:02 Uhr
Ein Apothekeninhaber sitzt gemütlich mit seiner Familie am späten Abend zusammen. Dann ruft seine Approbierte aus dem Notdienst an: Es gibt Probleme mit einer Verordnung aus dem ärztlichen Notdienst.
„Der Kunde war zu Besuch in der Gegend und einige Kilometer von seinem Heimatort entfernt“, erklärt der Inhaber. „Leider wurden die Notfallmedikamente seiner Frau, die unter Epilepsie leidet, zu Hause vergessen.“
Der Arzt im Notdienst verordnete, wie vom Gesetzgeber gewünscht, Kleinstpackungen. In diesem Fall: Levitiracetam, Pregabalin und Galantamin. „Das Problem ist, dass die meisten Apotheken diese Medikamente nur in großen Packungen an Lager haben“; so auch seine Apotheke.
Zwischen Kundenbedürfnissen und finanziellem Risiko
Die Unsicherheit bei der diensthabenden Approbierten war groß – sie rief also ihren Chef an. „Ich fuhr dann zur Apotheke und habe versucht auszueinzeln.“ Allerdings, betont der Inhaber, sei er damit ein großes Risiko eingegangen. „Wenn wir eine Packung anreißen, könnte ein Amtsapotheker das später rügen.“ Das sei allerdings nicht das einzige Problem: „Die kleineren Packungseinheiten, die man am nächsten Tag zum Auffüllen bestellen möchte, sind oftmals nicht lieferbar, oder die Blister haben eine andere Stückzahl.“ Auch hier stehe man „wieder vor einem Problem, das man eigentlich gar nicht lösen muss“.
Der Apotheker fühlt sich hier ohne eindeutige Regelung alleingelassen: „Man will dem Kunden natürlich helfen, andererseits will man sich selbst nicht – finanziell oder regresstechnisch – schaden.“ Die Krankenkassen seien seiner Erfahrung nach mit der Retax schnell am Ball. „Es ist ein Dilemma. Natürlich habe ich alle Packungen angerissen und dem Kunden die kleinste Menge mitgegeben.“ In der Konsequenz konnte er zwar am nächsten Tag die Präparate nachbestellen; die Stückzahl bekommt er 1:1 aber nicht mehr hin.
Retaxsicher?
Im Gespräch mit anderen Apothekern gab es laut des Inhabers gemischte Rückmeldungen: „Einige hätten es so wie ich gemacht, andere geben in solchen Fällen grundsätzlich die große Packung ab.“ Mit dem Vermerk „Cito!“ und der Sonder-PZN sei dies bei vielen Kollegen überhaupt kein Problem und habe noch nie zu einer Retax geführt. Der Inhaber findet das allerdings aus gutem Grund nicht unproblematisch, „Wir haben schon Retaxationen deshalb bekommen“, ärgert er sich. „Jeder Apotheker kennt das Problem. Einige bekommen die Retaxation, die anderen nicht.“