Unglaublich aber wahr: Sandra Da Cruz, Inhaberin der Schloss-Apotheke in Dargun in Mecklenburg-Vorpommern absolviert jeden Notdienst ihrer Apotheke, ohne dafür vergütet zu werden. „Wenn in meiner Schicht keine Patient:innen kommen, verdiene ich keinen einzigen Cent“, so die Apothekerin. Die Krux: Wegen der Pflicht zur Dienstbereitschaft muss Da Cruz trotzdem jeden Notdienst absolvieren.
Apotheken sind verpflichtet, für 365 Tage im Jahr als Ansprechpartner in Notsituationen erreichbar zu sein. Das gilt auch an Wochenenden, nachts sowie an Feiertagen. Die jeweiligen Landesapothekenkammern sind für die Planung und Einteilung der Nacht und Notdienste verantwortlich und müssen die Dienste entsprechend der regionalen Gegebenheiten so auf die Betriebe verteilen, dass Notdienst-Apotheken überall in Deutschland in akzeptabler Entfernung erreichbar sind. Außerdem soll es vermieden werden, einzelne Betriebe übermäßig zu beanspruchen. Schwierig, wenn es schlicht zu wenige Apotheken im jeweiligen Notdienstkreis gibt.
Im Notdienstkreis der Schloss-Apotheke befinden sich insgesamt nur noch drei Apotheken. Für Da Cruz ist das ein großes Problem. Weil es sich wirtschaftlich kaum lohnte, einen sogenannten Vollnotdienst in der ländlichen Apotheke zu absolvieren, beantragte die Inhaberin bei der zuständigen Kammer eine Kürzung der Zeiten. Dies wurde genehmigt, und sie konnte die Dienstbereitschaft von 20 bis 8 Uhr des Folgetages auf insgesamt zwei Stunden reduzieren.
„Ich arbeite seitdem an 17 Wochenenden im Jahr, jeweils von 11 bis 12 Uhr und dann abends nochmal von 18 bis 19 Uhr. Unter der Woche bin ich im Notdienst von 18 bis 20 Uhr in der Apotheke. Ich bekomme diese zwei Stunden aber nicht vergütet, weil es kein Vollnotdienst ist“, so die Apothekerin. „Wenn man das hochrechnet, kann einem schwindelig werden. Ich habe noch das Glück, direkt über der Apotheke zu wohnen, aber die Wochenenden sind trotzdem kaputt.“
Schlimmer noch: „Wenn in der Zeit niemand in die Apotheke kommt, verdiene ich keinen einzigen Cent“, so Da Cruz. Sie kann sich der Situation auch nicht entziehen, es besteht die „Pflicht zur Dienstbereitschaft“, so die Inhaberin. „Selbst mein Antrag bei der Kammer auf einen größeren Notdienstkreis und somit einer besseren Verteilung der Dienste wurde abgeschmettert.“ Für die Verkürzung der Zeiten im Notdienst musste Da Cruz über ein Jahr lang regelrecht Strichliste zur Anzahl der Kunden führen, die die Apotheke aufsuchten: „Als dann endlich die Genehmigung zur Schichtverkürzung kam, teilte man mir erst gar nicht mit, dass mir dann auch die Vergütung gestrichen wird.“
Mehr noch: „Man unterstellte mir regelrecht, ich hätte kein Interesse daran, überhaupt Notdienste zu machen“, ärgert sich Da Cruz. „Im Grunde bin ich gern für meine Kund:innen da und freue mich, wenn ich helfen kann, aber es muss verhältnismäßig sein.“ Erst kürzlich konnte Da Cruz das Problem einer verzweifelten Kundin lösen: „Das war eine typische Situation. Die Tochter einer älteren Dame rief mich an einem Freitagnachmittag an. Sie hatte ein Entlassrezept für die Mutter über ein BtM, und das Krankenhaus hatte keine Tabletten mitgegeben. Sie benötigte demnach dringend das Schmerzmittel“, so die Apothekerin.
„Solche Medikamente werden üblicherweise nicht über Nacht ausgeliefert, denn sie müssen persönlich entgegengenommen werden. Glücklicherweise hatte ich anschließend Notdienst, war also noch ein paar Stunden anwesend“, so Da Cruz. Mit dem Großhändler fand sie zudem eine Ausnahmeregelung und änderte kurzerhand die Liefertour auf spät abends. „Sowas funktioniert eigentlich nur auf dem Land, wo man sich eben kennt und solche Ausnahmen machen kann.“ Gegen 21 Uhr konnte die Apothekerin die Tochter dann mit dem akut benötigten Arzneimittel versorgen: „Für diese Momente der Dankbarkeit macht man solche Sachen. Eigentlich hatte ich bereits eine Stunde Feierabend, aber die Patientin konnte ich unmöglich im Regen stehen lassen“, so die Inhaberin.
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