Den schlimmsten Notdienst in seiner Berufsgeschichte hat Enno Meisenheimer* am vergangenen Sonntag erlebt. Die Arbeit habe ihn „mental an die Grenzen“ gebracht, sagt der angestellte Apotheker. Neun Stunden lang versorgte er mit einem PTA 200 Kundinnen und Kunden.
Seit 1988 ist Meisenheimer Pharmazeut, bis 2007 war er als selbstständiger Apotheker tätig. Nach Vertretungsdiensten und Filialleitungen ist er mittlerweile in Altersteilzeit beschäftigt. Der 63-Jährige absolvierte viele Notdienste und erlebte viele skurrile Situationen, doch der vergangene Sonntag übertrumpfte alle. In den neun Stunden ging die Eingangstür gefühlt nie zu.
Auffallend sei die große Anzahl an Rezepten aus Kliniken gewesen. „Bei den Kunden werden Notfallambulanzen statt eines Termins beim Hausarzt immer beliebter“, sagt er. „Ein Kunde kam aus der Klinik mit einem Rezept für Hämorrhoiden-Zäpfchen.“ Die Klientel habe sich deutlich verändert. „Man wird in der Apotheke am Sonntag auf Pille danach und Nasenspray reduziert.“ Am Sonntag seien alle Notfallkontrazeptiva verkauft worden. Die Apotheke habe im Schnitt zehn Packungen der Pille danach vorrätig.
Ein anderer Kunde wollte dringend seine Blutdrucktabletten haben. Doch das Rezept sei bereits fünf Tage alt gewesen. Als man ihm dies gesagt habe, sei er verärgert gewesen. Zudem werde, besonders von der jungen Generation, immer öfter gefragt, warum man sonntags eigentlich keinen Lieferservice anbiete. „Die Kunden sind extrem anspruchsvoll.“ Besonders die Kundschaft mit ausländischen Wurzeln gehe davon aus, dass die Apotheke auch am Wochenende immer in Vollbesetzung ist.
Mit solchen Diensten „macht man dem eigenen körperlichen Zustand keine Freude“, sagt Meisenheimer. Wie die Apotheke aus diesem Dilemma herauskomme, wisse er nicht. Denn Aufklärung über den Notdienst funktioniere nicht. „Man darf bei den Kunden bloß nicht belehrend sein, sonst sind die verärgert.“ Stattdessen müsse sich grundlegend etwas an den Diensten ändern. „Ich habe früher bei meiner Landapotheke eine Woche lang Notdienst gehabt und das war nicht so anstrengend.“
*Name von der Redaktion geändert
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