Notdienst verweigert: Apotheke am Pranger Maria Hendrischke, 07.07.2016 14:31 Uhr
Bonbons an Betrunkene und Kosmetikverkauf um 4 Uhr morgens: So sah der Notdienst in der Nacht von Samstag auf Sonntag in der Schiller-Apotheke Duisburg aus. Als am Ende des Notdienstes noch ein Kunde vor der Tür stand, winkten Apotheker Dirk Fahrenwaldt und seine Frau ab. „Das war ein großer Fehler“, sagt er im Nachhinein.
Fahrenwaldt hatte den Notdienst gemeinsam mit seiner Frau Annette Fahrenwaldt-Roggatz übernommen. „Wir sind im Nachtdienst sämtlichen Wünschen nachgekommen, auch wenn es sich dabei mehrheitlich nicht um Notfälle handelte“, sagt er. Der Dienst endete um 9 Uhr.
Als seine Frau den Computer heruntergefahren habe, habe das System diese Zeit angezeigt, sagt Fahrenwaldt. Zu dem Zeitpunkt sei noch ein Kunde gekommen. „Unsere Computeruhr geht sehr genau, wir richten uns stets danach. Bisher kam es wegen der Öffnungszeiten auch noch nie zu Missverständnissen mit Kunden.“ Seine Frau führt die Apotheke seit Mai 2015. Weil der Notdienst also zu Ende war, bedienten die Fahrenwaldts den Mann nicht mehr, sondern signalisierten ihm, dass die Apotheke bereits geschlossen sei.
Nach der Uhr des Kunden, Sebastian Deppe, war es jedoch erst 8.57 Uhr, als er an der Notdiensttür stand. Er habe versucht, das der Apothekerin mit Handzeichen zu verdeutlichen. Das teilte er den Apothekern in einer Beschwerde-Mail mit.
Deppe schreibt: „Für mein Verständnis nimmt man den Apothekennotdienst nur in Anspruch, wenn es wirklich nötig ist und man schnellstmöglich Hilfe braucht. Einen hilfesuchenden Menschen ohne das benötigte Medikament wegzuschicken, ist für mich unerklärlich.“ Die Mail ging nicht nur an die Schiller-Apotheke, sondern außerdem an den Vorsitzenden des Apothekerverbands Duisburg/Niederrhein, Peter Vogt, an die ABDA sowie an drei Redaktionsadressen der WAZ. „Ich bin mir sicher, dass alle Empfänger dieser E-Mail ein ebenso großes Interesse an der Klärung dieses Vorfalls haben wie ich“, erklärt Deppe dazu.
Er räumt den Apothekern in seiner E-Mail drei Werktage ein, um eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Fahrenwaldt hat ihm bereits zwei Stunden später eine Entschuldigung gesandt und erklärt, dass laut der Computeruhr der Notdienst bereits vorbei war. In Zukunft wolle man die Uhr noch öfter prüfen lassen und Kunden auch noch nach der Zeit bedienen. „Dieser Vorfall tut uns außerordentlich leid, wir bedauern dieses Mißverständnis sehr“, antworteten die Apotheker. Sie erklärten ihm auch, dass die Hälfte der Kunden in der Nacht nicht wegen eines Notfalls gekommen seien, sondern Kosmetika gekauft hätten.
Nach Rücksprache mit Vogt versuchte Fahrenwaldt, die Angelegenheit mit Deppe telefonisch oder persönlich unter vier Augen zu klären. Doch im Telefonbuch sei der Name Sebastian Deppe nicht zu finden gewesen. Auf die E-Mail der Apotheker habe er nicht mehr geantwortet.
Stattdessen machte Deppe seine Ankündigung wahr – und wandte sich an die Medien. Die WAZ berichtete über den Vorfall. „Es scheint, als hätte der Mann uns nie eine Chance geben wollen. Er wollte uns an den Pranger stellen“, so Fahrenwaldt. Nach und nach würden sich mittlerweile alle Beteiligten melden, die in der E-Mail im CC standen. „Es ist, als wäre um die Apotheke der Dritte Weltkrieg ausgebrochen“, so Fahrenwaldt.
„Es tut uns sehr leid, dass wir ihn nicht bedient haben“, betont der Apotheker. „Wir hätten zumindest fragen müssen, was er benötigt – selbst wenn wir eigentlich Dienstschluss hatten.“ Das werde nie wieder vorkommen. Das schreibe er nun auch in einem Brief der Apothekerkammer Nordrhein, die ebenfalls um eine Stellungnahme gebeten habe.
Deppe wollte Ohrentropfen für seine Frau kaufen, die am Morgen mit Ohrenschmerzen aufgewacht sei. „Ich hätte ihm wohl empfohlen, dass seine Frau zunächst einen Arzt aufsuchen sollte. Denn wenn das Trommelfell perforiert wäre, hätten Ohrentropfen noch größeren Schaden anrichten können“, sagt Fahrenwaldt.