Die Weilheimer Apothekerin Iris Hundertmark hat mit sofortiger Wirkung ihr Regal mit homöopathischen Mitteln geräumt. Sie kann es nicht länger mit ihrem Gewissen vereinbaren, Globuli zu verkaufen.
Der Wendepunkt kam vor rund zwei Wochen im Notdienst. „Ein Kunde hat mich wegen Arnika-Globuli rausgeklingelt“, erzählt sie. Der Mann hatte nach einem Haushaltsunfall Verbrennungen. Die Apothekerin riet ihm, ins Krankenhaus zu fahren. Das wollte der Mann nicht, er vertraute auf die Kraft der Arnika. „Ich habe ihm in einer gefährlichen Situation etwas gegeben, das ihm überhaupt nicht hilft“, erklärt Hundertmark. Diesen Zweifeln möchte sie sich nicht länger aussetzen.
Das Homöopathie-Regal in ihrer Bahnhof-Apotheke hat sie deshalb in der vergangenen Woche rigoros geleert, die Ware geht nun an die Lieferanten zurück. Es war kein spontaner Entschluss: „Ich habe mich mit diesem Thema schon länger beschäftigt. Wir sind als Apotheker angehalten, leitliniengerecht zu beraten. Bei Homöopathie tun wir das nicht. Schulmedizin und Homöopathie werden bei der Abgabe unterschiedlich behandelt.“
So müsse der Apotheker zum Beispiel bei Aspirin fragen, ob es für den Kunden selbst sei, ob er andere Erkrankungen habe und weitere Medikamente nehme. Zudem rate ein Apotheker, wenn die Schmerzen nicht nachließen, einen Arzt aufzusuchen. Beim Verkauf homöopathischer Mittel falle das alles weg. „Der Kunde verlangt zum Beispiel Globuli D6 und ich schiebe die Packung über den Tresen. Es gibt keine evidenzbasierten Studien. Ich gebe die Globuli ab, ohne die Kunden darauf aufmerksam zumachen, dass sie eventuell nur ein Placebo kaufen.“
Dass sie sich mit ihrer Entscheidung möglicherweise nicht nur Freunde machen wird, ist ihr bewusst. „Ich stelle mich ganz klar gegen etwas“, sagt sie. „Aber ich habe ein wissenschaftliches Studium geleistet und bin ethisch verpflichtet, zu sagen, was ich weiß.“ Künftig wird sie Kunden darauf hinweisen, dass das, was sie kaufen möchten, möglicherweise keine Wirkung habe.
Die ersten Reaktionen ihrer Kunden sind durchaus positiv. „Sie begrüßen es und nehmen den Rat an, wenn ich etwas Alternatives empfehle. Wenn jedoch jemand mit einem Rezept kommt, bin ich verpflichtet, es zu verkaufen.“ Allerdings hat sie es nicht mehr vorrätig wie in den Jahren zuvor. „Ich informiere dann auch gern, dass die Kunden das Gewünschte bei einem Kollegen vielleicht schneller bekommen.“
Umsatzeinbrüche befürchtet sie nicht, mit einem leichten Rückgang der Einnahmen kann sie leben. „Ich werde vielleicht weniger verdienen“, sagt sie. In ihrer Apotheke liefen die homöopathischen Mittel bisher nämlich gut. „Die Homöopathie ist immer gewissen Trends unterworfen, mal verkauft es sich sehr gut, dann wieder ein bisschen weniger gut.“ Hundertmark glaubt, dass viele Patienten nicht gewissenhaft aufgeklärt sind, was die Homöopathie betrifft.
Grundsätzlich kann sie nachvollziehen, dass Patienten ihre Genesung in der Homöopathie suchen. „Viele sind mit der Schulmedizin nicht zufrieden, sie haben vielleicht Angst vor den Nebenwirkungen. Ich kann diese Angst verstehen.“ Dennoch setzt sie ihr Vertrauen in die Schulmedizin. „Im Notfall kann ich mich nicht auf die Wirkung homöopathischer Mittel verlassen“, ist sie überzeugt. „Bei schwerwiegenden Erkrankungen ist ihr Einsatz grob fahrlässig.“
Der Kritik der Homöopathie-Befürworter, die möglicherweise nun auf sie zukommt, sieht sie gelassen entgegen. „Was ich mache, ist nicht falsch“, sagt sie. Kürzlich verbannte ein kanadischer Apotheker ebenfalls alle homöopathischen Arzneimittel aus seiner Offizin. Graham MacKenzie aus dem 700-Einwohner-Ort Baddeck in der kanadischen Provinz Nova Scotia sagt: „Ich glaube nicht mehr an ihre Wirksamkeit.“
Rund 20 homöopathische Arzneimittel hatte er bislang im Angebot. Künftig empfiehlt er seinen Kunden wieder Erzeugnisse der klassischen pharmazeutischen Palette. Er erklärt seine Entscheidung so: „Es gibt nicht ausreichend wissenschaftliche Beweise, dass sie wirken. Wenn man sich mit dem, was man verkauft, nicht wohlfühlt, muss man etwas ändern.”
Der Pharmazeut sagt: „Für mich ist es an einem Punkt angelangt, an dem es beinahe unethisch ist, sie zu verkaufen. Für mich legt die Wirksamkeit bei Null.“ Bisher hatte er seinen Patienten homöopathische Mitteln gegen Schlaflosigkeit, Zahn-Schmerzen, Erkältungsbeschwerden und Grippe empfohlen. Und stellte eines Tages fest: „Sie sind dermaßen verdünnt, dass sie quasi nur Zucker und Wasser sind.“
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