Neue Klagewelle zu Rx-Boni Alexander Müller, 04.03.2011 11:58 Uhr
Ein halbes Jahr nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Rezeptgutscheinen baut sich die nächste Klagewelle auf. Zahlreiche Apotheken - hauptsächlich Versender und Discounter - wurden bundesweit abgemahnt und kämpfen jetzt vor Gericht für ihre Rx-Boni. Wettbewerbsrechtlich geht es um den Feinschliff der Bagattellgrenze, arzneimittelrechtlich ums Prinzip.
Das Problem: Aus Sicht des BGH sind kleine Rx-Boni unterhalb einer Spürbarkeitsgrenze wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Die genaue Höhe dieser Bagatellgrenze hat der BGH allerdings nicht festgesetzt. Nur so viel: Werbegaben im Wert von einem Euro seien wettbewerbsrechtlich zulässig, Boni im Wert von fünf Euro dagegen zu hoch. Die Apotheken reizen jetzt aus, was möglich ist.
Vier Verfahren wurden bereits von der Wettbewerbszentrale mit Sitz in Bad Homburg initiiert. Prominentestes Beispiel ist die Versandapotheke Mycare, die ihren Kunden 1,50 Euro Rabatt pro verschriebenem Arzneimittel gewährt. Mycare-Chef Christian Buse ist auch Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA).
Geklärt werden soll in den Verfahren der Wettbewerbszentrale auch, ob sich die Bagatellgrenze auf den Gesamtbonus pro Rezept bezieht oder auf jedes Arzneimittel auf dem Rezept veranschlagt werden darf, also maximal dreimal. Der BGH hatte sich in dieser Frage nicht eindeutig geäußert.
Die Aufsichtsbehörden können dagegen arzneimittelrechtlich jede Art von Rezeptbonus verbieten. Die Apothekerkammer Niedersachsen geht nach eigenem Bekunden gegen jede Apotheke vor, die Rx-Boni gewährt. Abgemahnt wurden bereits die Versandapotheken Aliva (Sanicare), Apotal und Besamex sowie eine Vor-Ort-Apotheke. Hier laufen die Verfahren ebenfalls an.
Als einzige Apothekenkooperation hatte das Franchise-Konzept easyApotheke auf einheitliche Rx-Boni gesetzt. Anfang November hatten 25 easy-Apotheken Gutscheine im Wert von einem Euro für jedes Arzneimittel auf der Verschreibung ausgelobt. Nach dem Einschreiten der Apothekerkammer haben 20 Apotheken das Angebot zum Jahreswechsel eingestellt. Die übrigen fünf sollen den Bonus in verschiedenen Bundesländern vor den Verwaltungsgerichten durchfechten und werden juristisch von der Systemzentrale betreut.
Auch bei Sanicare-Chef Johannes Mönter ist davon auszugehen, dass er den Rechtsstreit nicht scheuen wird: Der Unternehmer befindet sich mit der Kammer seit Jahren im Streit über Zuzahlungsgutscheine. Zuletzt hatte Sanicare im Rahmen einer „Zuzahlungsstudie“ - begleitet von Professor Dr. Gerd Glaeske - seinen Kunden die Hälfte der Zuzahlung erlassen. Aliva gewährt aktuell 3 Euro Bonus pro Rezept.
Andere Anbieter wagen sich noch weiter hinaus: Die Versandapotheke Bad-Apo aus dem sächsischen Bad Schlema gewährt Neukunden einen Bonus von zehn Euro, wenn sie mindestens zwei verschreibungspflichtige Arzneimittel bestellen.