Ein Beitragssprung von 18 Prozent und weitere sollen folgen. Das konnten selbst eingeschworene Abda-Fans nicht mehr mittragen. Daher jetzt ein Plan B: Nicht mehr die Kolleginnen und Kollegen, die tapfer die Versorgung sichern, sollen die Zeche zahlen. Sondern diejenigen, die ihr Scherflein nicht mehr beitragen wollen. Gewinner ist in jedem Fall – die Abda.
Während die Zahl der Selbstständigen seit Jahren zurückgeht, gibt es immer mehr Kolleginnen und Kollegen, die freiwillig oder unfreiwillig aus der Inhaberschaft oder gar aus dem Apothekerberuf ausscheiden. Das stellt eine in Sachen Beitragsaufkommen äußerst durstige Berufsorganisation wie die Abda vor eine Herausforderung: Immer weniger zahlende Kammer- und Verbandsmitglieder müssen die immer schneller steigenden Ansprüche an den Etat schultern. Die Stimmung droht umzuschlagen: von Resignation in offene Ablehnung.
Die Lösung für das Dilemma ist ebenso schlicht wie genial. Wer seine Apotheke schließen will (oder muss), der hat künftig eine sogenannte Offizinal-Ausstiegsgebühr zu zahlen. Dies geht aus einer vertraulichen Beschlussvorlage der Abda-Hauptgeschäftsführung hervor, über die der Gesamtvorstand bei seiner nächsten Sitzung abstimmen soll. Die Mitgliederversammlung soll das Vorhaben im Dezember beschließen, sodass die neue Gebührenordnung pünktlich zum 1. Januar in Kraft treten kann.
Die Höhe der Exodus-Prämie berechnet sich typischerweise nach einem komplizierten Algorithmus: Je jünger der ausscheidende Inhaber respektive die Inhaberin, desto höher der Abgeltungsbetrag, der an die Abda zu zahlen ist. Begünstigend angerechnet werden Berufsjahre, in denen bereits (erfolglos) versucht wurde, eine Nachfolge für die Apotheke zu finden. Mindestens zu zahlen sind allerdings Kammer- und Verbandsgebühr für den doppelten Zeitraum, in dem der Betrieb laut Treuhand-Statistik kostenneutral – unter Berücksichtigung aller potenziell zu erbringender pharmazeutischer Dienstleistungen für die hinterlegte Stammkundschaft – weiter betrieben hätte werden können.
Bei der Abda hofft man, gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Einerseits wird mit dem Malus ein Anreiz gesetzt, die Kolleginnen und Kollegen doch noch zum Bleiben zu bewegen und so die Versorgung zu sichern. Immerhin soll die Ausstiegsgebühr ja so berechnet sein, dass der Weiterbetrieb am Ende womöglich günstiger ist.
Andererseits hat das Modell den unbestreitbaren Vorteil, dass nicht mehr alleine die aktiven Kolleginnen und Kollegen belastet werden, zumal in dieser immer kleiner werdende Gruppe letzthin wohl ein gewisses Unbehagen zu beobachten gewesen ist. Stichwort: Protesttag.
Vor allem aber kann die Abda dabei nur gewinnen: Läuft es in der Berufspolitik weiterhin schlecht, werden umso mehr Apotheken ausscheiden müssen – was wiederum durch das neue Modell beitragsentlastend für die verbleibenden Kolleginnen und Kollegen wirkt und damit einen stabilisierenden Effekt auf den sozialen Frieden haben soll.
Wären dagegen überraschende Erfolge – mit konkreten betriebswirtschaftlichen Nachwehen – zu verzeichnen, könnten Beitragsanpassungen aufgrund weniger Betriebsaufgaben und damit niedrigerer Ausstiegsgebühren zu verschmerzen sein. Eine Win-Win-Situation par excellence, ein in doppelter Hinsicht ausgeglichener wie ausgleichender Haushalt sozusagen. Und eine gute Gelegenheit, ihn im Zuge der Umstellung gleich noch einmal um eine kleine Inflationsgebühr anzupassen.
Tatsächlich gönnt sich die Abda im kommenden Jahr einen besonders großen Schluck aus der Beitragspulle, bis 2026 sollen Kammern und Verbände sogar ein Drittel mehr an ihre Dachorganisation zahlen als heute. Im Zehnjahresvergleich wird der Etat dann sogar um knapp 70 Prozent gestiegen sein. Größte Ausgabenblöcke sind Personal, Öffentlichkeitsarbeit, das Zwangsabo der PZ sowie eher der diffuse Bereich Projekte. Ach ja, und natürlich die Nebenkosten für die eigenen Immobilien.
Die Abda ist ein Sanierungsfall, das ist offensichtlich. Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen ist als Mitglied im Haushaltsausschuss der Abda bereits zurückgetreten, weil er die Steigerung nicht mittragen will. Jede Ausgabe müsse geprüft werden, fordert auch Apotheker Aristide Reidel. Daniela Hänel von der Freien Apothekerschaft wirft der Abda-Spitze sogar vor, die Haftung zur Basis vollkommen verloren zu haben und die Apotheken mit fraglichen finanziellen Forderungen melken zu wollen. „Wir streiken ja nicht für mehr Geld für die Berufsvertretung!“
Und als ob die internen Probleme nicht schon genug wären, gibt es einen neuen Skandal rund um den Bereich der Zytostatikaversorgung. Apotheker Robert Herold hat einem Team von NDR, WDR, dem ARD-Magazin Monitor und der Süddeutschen Zeitung (SZ) detaillierte Einblicke gegeben, wie hoch die Gewinnmargen bei Zytostatika sind. Große Herstellbetriebe hätten diesen Bereich an sich gerissen, nicht selten forderten Onkologen auch noch Schmiergeld. Er wolle bei „diesem Geschäft“ nicht mehr mitmachen, sondern für mehr Fairness im Gesundheitswesen sorgen, so Herold: „Es ist ungerecht 100 Euro für eine Zytostatikaherstellung und nur 10 Euro pro Salbe zu bekommen.“
Das mit der Fairness wäre eine tolle Sache, wenn auch die Kassen sich endlich einmal dazu bekennen würden. Immer häufiger werden aktuell Entlassrezepte retaxiert, die als solche nicht zu erkennen waren. Und die AOK Nordwest droht Apotheken jetzt sogar damit, eine auffällig häufige Verwendung von Sonder-PZN nicht länger zu akzeptieren: „Zum Thema Sonderkennzeichen behalten wir uns die Beanstandung der Verordnungen vor, bei denen uns die Verwendung nicht plausibel erscheint oder überprüfbar ist“, heißt es in einem Schreiben an einen Apotheker.
An der Basis ist die Stimmung derweil so schlecht wie nie. Der Apotheken-Geschäftsklima-Index (AGI) von aposcope erreicht mit Minus 18 ein neues Allzeittief: Nur drei von zehn Befragten beurteilen die Geschäftslage der Apotheke als sehr gut oder gut. Die Hoffnung auf eine Besserung ist nicht groß: Knapp 44 Prozent schätzen, dass sich die Geschäftslage der Apotheke in den nächsten drei Monaten voraussichtlich (deutlich) verschlechtern wird.
Kein Wunder, dass Apothekenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter nun auch offiziell Mangelware sind. Laut der von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichte Fachkräfteanalyse 2022 sind sie unter den Top 10 der beschäftigungsstarken Expertenengpassberufe gelistet. Trotz regionaler Unterschiede lautet das Fazit der Experten: „Da es sich bei der Pharmazie um einen bundesweiten Engpassberuf handelt, kann davon ausgegangen werden, dass auch in den nicht bewerteten Ländern die Situation überwiegend von Engpässen gekennzeichnet ist.“
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