Nele, das Mädchen mit dem halben Herz Silvia Meixner, 12.07.2017 15:18 Uhr
„Ich bin Nele, ich bin 14 Jahre alt und ich habe nur ein halbes Herz.“ So beginnt das Video, in dem die Schülerin aus Thüringen ihr Schicksal erzählt. Seit ihrer Geburt ist sie schwer krank. Da es keine Fertigarzneimittel in der passenden Dosierung für sie gibt, ist sie Stammkundin in der Classic-Apotheke. Inhaber Stefan Fink betreut das Mädchen, seit es zwei Jahre alt ist.
„Hypoplastisches Linksherz-Syndrom“, das klingt für Laien genauso fies, wie diese Krankheit tatsächlich ist: Es ist einer der schwersten angeborenen Herzfehler, die ein Mensch haben kann. In Deutschland werden jedes Jahr rund 300 Babys mit dieser Diagnose geboren. Ihre linke Herzkammer ist stark unterentwickelt und zu klein. Kaum auf der Welt, müssen sie sofort operiert werden, damit sie eine Überlebenschance haben.
Auch Nele kam sofort in den OP. Ihr Leben wurde gerettet, mit dem dreistufigen Operationsverfahren „Norwood“ wurde das Herz-Kreislaufsystem so umgestellt, dass es im Idealfall ein Leben lang mit nur einer Herzkammer funktioniert. Die Betroffenen sind fortan auf eine spezielle Arzneimitteltherapie angewiesen, mit deren Hilfe sie ein weitgehend normales Alltagsleben führen können. Dennoch sind einige Dinge, wie zum Beispiel Leistungssport, verboten.
Fink hat „seine“ Patientin für die Dreharbeiten zum aktuellen Spot der ABDA im Rahmen der Imagekampagne „Näher am Patienten“ vorgeschlagen. Er kennt Nele und ihre Eltern seit langem und fragte sie, ob sie ihre Krankheitsgeschichte vor der Kamera erzählen wollte: „Ein gewisses Outing war es für Nele schon. Bis zu den Dreharbeiten wussten nicht alle in ihrer Schule von ihrer Erkrankung.“
Nele erzählt in dem Film von ihrer Erkrankung und ihren Hoffnungen: „Ich hätte gern ein Herz, das ganz ist“, sagt sie. „Wenn das mit meinem Herzen nicht wäre, dann könnte ich viele Sachen machen, die die anderen jetzt können, zum Beispiel Trampolinspringen oder an Sportwettbewerben teilnehmen. Neidisch bin ich nicht direkt auf die anderen, aber traurig halt, dass die das machen dürfen und ich nicht.“
Tapfer erzählt sie vor der Kamera von ihren Träumen: „Ich hätte gern ein normales Leben, ein Herz, das ganz ist.“ Im Sportunterricht sitzt sie oft auf der Bank. „Wenn ein Ball meinen Bauch oder meine Brust trifft, könnte das lebensbedrohlich sein.“ Als sie kleiner war, war sie manchmal traurig, dass sie bei Kindergeburtstagen nicht Trampolinspringen durfte. „Da habe ich mich schon gefragt, warum so was ausgerechnet mir passieren musste.“ Fragen nach ihrer Krankheit sind der 14-Jährigen nicht unangenehm: „Als wir im Biologieunterricht die Funktion der Organe besprachen, wollten alle wissen, wie es denn bei mir ist. Wenn mich jemand freundlich fragt, erkläre ich es gerne.“
Für die Apotheke vor Ort ist es eine gute Gelegenheit darzustellen, wie die Pharmazeuten ihre Langzeitpatienten versorgen. Fink sagt: „Nele brauchte als Baby ein Herzmittel, das es in der für sie benötigten Stärke nicht gab. Wir haben damals begonnen, Rezepturen für ihre Medikationen herzustellen. Bis heute sind es immer noch sehr viele Kapseln, die Nele einnehmen muss.“
Fünf bis sechs Kapseln täglich muss die 14-Jährige schlucken, wenn sie erwachsen ist, wird die Dosierung neuerlich umgestellt. „Nele bekommt verschiedene Arzneimittel zur Entlastung des Herzens. Außerdem braucht sie ein Antibiotikum zum Schutz vor Entzündungen und einen Blutverdünner.“ Auch Neles Vater lobt Fink und sein Team: „Es ist immer ein Ansprechpartner da, wir haben uns nie Gedanken machen müssen.“
Seit Kurzem hat Nele ein Hobby, das sie ihre Krankheit für kurze Zeit vergessen lässt. Bei einem Motorradhändler entdeckte sie ein Kinder-Quad: „Ich bin glücklich, wenn ich Quad fahre. Der Wind in den Haaren fühlt sich an wie Freiheit.“ Ihr Vater freut sich, dass sie eine Freizeitbeschäftigung gefunden hat, die sie körperlich nicht allzu sehr belastet und glücklich macht: „Nele hat das Quad gesehen, sich draufgesetzt und wollte sofort eine Proberunde fahren. Wir haben sie nicht mehr runterbekommen.“ Im Film sagt er: „Ich bin total stolz auf Nele, stolzer Vater einer coolen Tochter.“
Ihre Mutter erzählt: „Nele musste immer kämpfen. Sie hat von Anfang an um ihr Leben gekämpft und ich denke, das verändert einen Menschen, auch schon sehr frühzeitig. Nele ist jetzt in einem Alter, wo sie Freiräume braucht und anfängt, ihre eigenen Wege zu gehen. Und trotzdem ist es auch wichtig, dass die Familie ab und zu mal zusammen ist und gemeinsam etwas unternimmt.“