„Würde ich meine Mutter aus dem Bett klingeln?“

Nasenspray um 3 Uhr nachts: Das falsche Bild vom Notdienst

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Berlin -

Die Wilstedter Apotheke wird Ende des Jahres geschlossen, falls sich nicht doch noch ein Nachfolger findet. Britta Schleßelmann führt eine Filiale in der Nähe des ländlichen Ortes im nördlichen Niedersachsen. Zukünftig wird ihre Moor-Apotheke in Hüttenbusch also mehr Notdienste übernehmen müssen. Laut Schleßelmann liegt in punkto Notdienst allerdings so einiges im Argen.

Noch ist bezülich der Wilstedter Apotheke nicht alles verloren. Eine Bedingung für die Übernahme der Apotheke im niedersächsischen Dorf ist laut Gemeinde, dass die Apotheke in die ehemalige, größere Sparkassenfiliale umzieht. Einhergehen würde dies mit einer Kostenübernahme des Umbaus durch die Gemeinde plus einer niedrigen Ladenmiete. Darüber hinaus müsse sich die/der neue Inhaber:in allerdings für zwei Jahrzehnte verpflichten.

„Hier kann doch niemand etwas für 20 Jahre planen“, ärgert sich Schleßelmann. Ihre Filiale, die Moor-Apotheke Hüttenbusch, befindet sich im Notdienstkreis der Wilstedter-Apotheke. Folglich werden zusätzliche Notdienste auf die Kolleginnen und Kollegen vor Ort zukommen.

Notwendige Veränderungen

„Es sollte allen klar sein, dass unser Honorar dringend hoch muss“, weiß Schleßelmann. „Die Belastung, die wir hier haben, seien es Notdienste oder vorgegebene Öffnungszeiten, da muss man sich fragen, ob das noch zeitgemäß ist“, gibt die Inhaberin zu bedenken. „Das sind zwei Beispiele, die nicht adäquat vergütet werden. Das kann niemand so freiwillig auf Dauer leisten“, so Schleßelmann.

„Wenn es gesellschaftlich gewollt ist, dass man auch in der Nacht sein Nasenspray kaufen kann, dann muss es auch etwas kosten. So, wie es aktuell geregelt ist, macht das keinen Spaß mehr“, erklärt die Inhaberin. Die Frage, als notdiensthabende Apothekerin für tatsächliche Notfälle parat zu stehen, stelle sich überhaupt nicht. „Aber nicht für optionale Produkte, die keine Dringlichkeit aufweisen und problemlos während der Öffnungszeiten kaufbar sind. Dass sich jemand, der sowieso schon auf dem Zahnfleisch geht, dafür die Nacht um die Ohren schlägt, das muss wirklich nicht sein.“

„Ganz schlechtes Wording“

Das Problem, weiß Schleßelmann, habe natürlich nicht nur sie alleine, „Da könnte man wirklich jeden fragen. Da gehen wir Koop.“ Letztlich handle es sich beim so genannten „Notdienst“ um eine Dienstbereitschaft. Dazu heißt es in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) § 23, Abs. 3: „Während der Zeiten genügt es zur Gewährleistung der Dienstbereitschaft, wenn sich der Apothekenleiter oder eine vertretungsberechtigte Person in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Apothekenbetriebsräumen aufhält und jederzeit erreichbar ist.“

„Vom Prinzip her sind wir ganz normal da. Das ist ein ganz schlechtes Wording und für uns als Apotheke ein ganz schlechtes Standing. Letzten Endes müssen wir für dieses Nasenspray da sein, und das ist einfach nicht richtig, vor allem nicht in der heutigen Zeit“, prangert die Inhaberin an. Sie fragt sich, wie Kundinnen und Kunden, die völlig optionale Präparate im Notdienst kaufen, für sich argumentieren. „Ich würde mich fragen: ‚Hätte ich meine Mutter für mein Leiden aus dem Bett geklingelt? Meine beste Freundin? Kann ich mein Leiden noch aushalten oder muss es umgehend behandelt werden? Oder ist es mir komplett egal, denn in der Apotheke sitzt ja eh einer um 3 Uhr nachts?‘“

Schleßelmann wünscht sich mehr Respekt und Bewusstsein für die nächtliche Dienstbereitschaft in Apotheken. „Dieses Bewusstsein darüber, dass ich als Apothekerin nicht in der Apotheke stehe und darauf warte, dass jemand kommt, das ist nicht da“, erklärt sie. Dass ich schon den ganzen Tag gearbeitet habe und auch den gesamten nächsten Tag wieder arbeiten muss, das ist – glaube ich – viele Kundinnen und Kunden nicht bewusst.“ Die Erwartungshaltung seitens der Kundschaft sei groß. „Wenn diese nächtlichen Dienstbereitschaften adäquat vergütet würden, wäre das ein ganz anders Thema“, erklärt die Inhaberin.

Gerechte Vergütung

„Unsere aktuelle Aufgabe ist, den Apothekenbetrieb mit all seinen Facetten am Laufen zu halten“, erklärt sie. „Lieferengpässe managen, Probleme beim E-Rezept ausbügeln – gut, das haben wir mit dem Papierrezept natürlich auch schon gemacht – schlicht, wir kümmern uns um alle Belange, die in der Apotheke anfallen. Und die werden einfach nicht zeitgemäß und adäquat vergütet“, erklärt Schleßelmann deutlich. Sie geht dann noch einmal auf die Lieferengpasspauschale ein, „Die finde ich einfach nicht ausreichend. Das ist Quatsch. Kein anderer Mensch würde für 50 Cent irgendetwas regeln!“

Der Inhaberin ist der Kampfgeist deutlich anzuhören: „Ich will hier weitermachen, aber es muss sich endlich rechnen! Wir alle machen unseren Beruf gerne, sonst würden wir ihn nicht machen, nur: Geld verdienen müssen wir auch.“

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