Es geht in großen Schritten los mit der Covid-19-Impfkampagne – oder nicht? Die Liste der Kritikpunkte ist lang, sie reicht von langsamer Geschwindigkeit über Impfstoffengpässe bis zu den Schwierigkeiten, vor Ort einen Termin zu bekommen. Apotheker Christian Flössner beurteilt das aus erster Hand, denn er ist Teil des pharmazeutischen Personals in den sächsischen Impfteams – und er fordert die Kollegen auf, sich nicht auf Kritik zu versteifen, sondern lieber mit anzupacken, damit es schneller geht.
„Ich verstehe die Aufregung im Moment gar nicht“, sagt Flössner, der in Dresden die Saxonia-Apotheke betreibt und bereits seit Wochen in Organisation und Durchführung der Impfkampagne im Freistaat involviert ist. „Ich finde den Impfstart nicht langsam.“ Einen Vergleich mit Ländern wie Israel halte er schon wegen der unterschiedlichen Ausgangsbedingungen nicht für zielführend, sagt er. „Das ist ein viel kleineres Land mit anderen rechtlichen Rahmenbedingungen, da lässt sich so etwas viel schneller organisieren. Aber im europäischen Vergleich hängen wir nicht wirklich hinterher.“
Natürlich könnte es ein bisschen schneller gehen, so Flössner, „aber dazu brauchen wir eben auch den nötigen Impfstoff.“ Ob EU-Kommission oder Bundesregierung dabei grobe Fehler gemacht haben, wolle er nicht beurteilen. „Das sind sehr komplexe Prozesse mit vielen Unbekannten, und ich werde mich da nicht an Stammtischdiskussionen beteiligen“, sagt er. Die andere große Baustelle sei derzeit die Terminvergabe in den 13 sächsischen Impfzentren über Onlineportale. Auch da ruckelt es noch – auch das sei aber nicht ungewöhnlich. „Jetzt haben wir das Problem, dass alle aus der Gruppe der höchsten Priorität gleichzeitig auf den Knopf drücken, natürlich führt das zu Überlastungen – aber das wird sich schon in den nächsten paar Tagen spürbar verbessern.“
Dass die Impfzentren nicht ausgelastet seien, könne man nur kritisieren, wenn man einen zentralen Sachverhalt nicht berücksichtigt, sagt er: „Die Impfzentren fahren gerade nur auf halber Last, weil jeder Impfling nach drei Wochen einen neuen Termin erhält. Wenn man die jetzt voll auslasten würde, könnte das in ein paar Wochen niemand mehr stemmen.“ Auf die Organisation und die Arbeit in den Impfzentren und -teams will er aber nichts kommen lassen. Und das könne er sehr gut beurteilen, weil er selbst im Durchschnitt an drei Tagen pro Woche dort mitarbeitet.
Flössner hat sich die Zeit dafür genommen, weil sein eigener Betrieb von der Pandemie getroffen wurde – die Saxonia-Apotheke liegt an einer Einkaufspassage. „Wir haben durch den Lockdown eine niedrigere Kundenfrequenz und entsprechend weniger zu tun, da nutze ich die freigewordenen Kapazitäten, um mich einzubringen.“ Flössner ist seit Jahren beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) engagiert, das in Sachsen am Betrieb der Impfzentren beteiligt ist, und hat dementsprechend einen kurzen Draht. „Da kommt ein Anruf und los geht’s.“
Dabei sei der Umgang mit dem Biontech-Impfstoff alles andere als trivial, er sei stoßempfindlich, ist nach Ende der Tiefkühlung nur fünf Tage haltbar und die Entnahme der letzten 0,3-Milliliter-Dosis sei nicht immer leicht. „Da muss man gewissenhaft und genau arbeiten, aber dafür ist ja pharmazeutisches Personal dabei“, sagt er. „Ich habe allein am Freitag von 9 bis 18 Uhr in einem Pflegeheim 186 Impfdosen aufbereitet. Nachts träume ich schon von 0,3 Millilitern.“
Wichtig sei es, sich jetzt auch spontan einzubringen, redet er den Kollegen ins Gewissen. So sei erst am Montag wieder ein spontaner Anruf gekommen: Jemand aus dem Impfteam sei krankheitsbedingt ausgefallen. „Auch das kann passieren. Natürlich stehe ich dann morgen um 8.30 Uhr da und bereite 130 Impfdosen auf.“ Wenn er nicht selbst kann, versuche er, anderweitig Hilfe zu vermitteln.
So seien in einem Impfzentrum 200 Dosen kurz vor dem Verfall und müssten morgen spontan verimpft werden. Abnehmer wird deshalb die Polizei. „Das läuft aber alles zusätzlich zum normalen Betrieb, also müssen die spontan eine weitere Impfstraße einrichten und brauchen Personal dafür“, sagt er. „Ein PTA bei mir hat morgen frei, den habe ich gefragt und er hat sofort gesagt, dass er das natürlich macht. Das ist es, was wir in Deutschland gerade brauchen.“
Er rechne damit, dass sich auch mit Verfügbarkeit weiterer Impfstoffe die Lage in naher Zukunft weiter entspannen werde. Und zwar nicht nur quantitativ: Im Moment sei die Aufbereitung noch sehr aufwendig, der Moderna-Impfstoff sei hingegen leichter zu handhaben, da er nicht tiefgekühlt werden muss und unverdünnt angewendet werden kann – das bedeute auch einen geringeren Zeit- und Personalbedarf zur Aufbereitung. Bis dato sei es vor allem wichtig, sich selbst einzubringen, appelliert er an die Kollegen. „Das Gejammere hilft im Moment nicht. Im Moment wird wie verrückt gearbeitet und für unseren Berufsstand sollte es Ehrensache sein, sich da einzubringen. Man sollte nich meckern, sondern machen.“
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