Was tun, wenn während des Nachtdienstes ein Kunde kein Bargeld und der Apotheker kein mobiles Kartenlesegerät hat? Darf man ihn nach der Pin zur EC-Karte fragen? Das wagte eine Approbierte der Hanseapotheke in Neuenkirchen bei Greifswald. Obwohl der Kunde das Angebot annahm, beschwerte er sich anschließend bei der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern und informierte die Lokalpresse.
Um Mitternacht habe ein Mann mittleren Alters vor dem Nachtschalter gestanden, berichtet Apothekerin Monika Schweizer. Er wollte ein Rezept für ein Antibiotikum und Schmerztropfen einlösen. Ausgestellt wurde das Rezept kurz zuvor in der Notaufnahme des Universitätsklinikums Greifswald auf seinen 83-jährigen Vater. Der ältere Herr mit Pflegestufe 3 habe unter einer akuten Entzündung der Ohrspeicheldrüse gelitten. Deshalb habe der Arzt dem Sohn empfohlen, das Arzneimittel sofort zu besorgen, schreibt die Ostsee Zeitung.
Für die Medikamente fiel eine Zuzahlung von zehn Euro an, die der Mann mit seiner EC-Karte bezahlen wollte. „Meine Apotheke hat allerdings kein tragbares Kartenlesegerät“, erklärt Schweizer gegenüber APOTHEKE ADHOC. Zunächst habe die Mitarbeiterin, die den Nachtdienst hatte, dem Kunden empfohlen, zu einem Sparkassen-Automaten zu gehen, der sich nur etwa 50 Meter von der Offizin entfernt befinde. Der Kunde weigerte sich allerdings mit der Begründung, er habe eine andere Hausbank und müsse bei der Sparkasse Gebühren zahlen.
Die Mitarbeiterin hätte ihrerseits abgelehnt, den Kunden in die Apotheke zu lassen oder die Arzneimittel auf Rechnung abzugeben. Weil sie den Mann nicht ohne die Medikamente für seinen alten Vater wegschicken wollte, schlug sie laut Schweizer vor, die Pin für seine EC-Karte zu verraten. Der verärgerte Mann gab den Zahlencode letztendlich widerwillig preis und beglich den Zuzahlungsbetrag. Am nächsten Tag beschwerte er sich allerdings bei der Apothekerkammer über den nächtlichen Vorfall und informierte die Lokalpresse.
Schweizer verteidigt das Vorgehen ihrer Mitarbeiterin und erklärt, sie habe korrekt gehandelt, als sie den Mann nicht in die Offizin ließ. „Notdienst ist ein Klappendienst. Und das zurecht. Wir wissen nie, wer vor der Tür steht.“ Eine Rechnung auszustellen, wäre ebenfalls ein größerer Aufwand gewesen, weil dafür eine Patientendatei hätte angelegt werden müssen. „Der Vorfall ist sehr ärgerlich für uns“, sagt Schweizer. Vor allem, weil die Situation sich hätte leicht lösen lassen: Die Gebühr bei der Sparkasse hätte lediglich drei bis vier Euro betragen.
Die Apothekerin weist darauf hin, dass der Kunde bereits vor rund zwei Wochen in einer anderen Apotheke nachts ohne Bargeld ein Medikament erwerben wollte. Auch dort sei er auf Schwierigkeiten gestoßen. Ein mobiles Lesegerät gehöre eben nicht zum Standard in Apotheken. „Wenn der Kunde gar nichts dabei hätte, um den Zuzahlungsbetrag zu begleichen, wären wir die Letzten, die ihn ohne die Medikamente nach Hause geschickt hätten“, beteuert die Apothekerin.
Apotheken sind in der Tat rechtlich nicht dazu verpflichtet, tragbare Kartenlesegeräte zu haben, wie Christian Gillot, stellvertretender Geschäftsführer der Apothekerkammer, erklärt. Zu dem konkreten Fall wollte er sich mit Verweis auf die Vorstandssitzung am kommenden Mittwoch nicht äußern. Dann wolle sich der Vorstand mit dem Vorfall auseinandersetzen und beraten, ob er allgemeine Handlungsempfehlungen formuliert. Die Ostsee Zeitung zitierte Gillot mit der Aussage, dass es nicht angehen könne, dass Apothekenmitarbeiter sich EC-Karte und Pin geben lassen.
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