Nach 17 Jahren musste Doris Brunner ihre Ried-Apotheke in Konstanz wegen einer langen Kette von unglücklichen Umständen aufgeben. Doch ihre Einrichtung samt Laborausstattung hilft künftig in Burundi, die medizinische Versorgung der Not leidenden Bevölkerung zu stärken.
Keine Apothekerkammer, keine Standesvertretung steckt hinter dem Projekt, sondern das Theater Konstanz. „Wir machen schon seit zehn Jahren gemeinsame Projekte mit Kollegen aus Afrika, genauer gesagt aus Togo, Malawi und Burundi“, erzählt Dr. Daniel Morgenroth, Referent des Intendanten Christoph Nix. „Wir fahren auch dort hin, dabei entsteht ein Austausch auf Augenhöhe.“ Gerade die Beziehung nach Burundi bestehe schon sehr lange und sei intensiv. Das Land wurde lange Jahre durch blutige Bürgerkriege geprägt. „Bei einem seiner Besuche ist dem Intendanten bewusst geworden, wie schlecht die medizinische Versorgung ist“, so Morgenroth. „Er fragte sich, ob man eine Apotheke vor Ort aufbauen kann, in dem die grundlegendsten Medikamente zu einem für die Bevölkerung bezahlbaren Preis erhältlich sind.“
Zurück in Konstanz versuchte Nix, die örtlichen Apotheken von seinem Plan zu begeistern. „Fünf Apotheker zeigten Interesse an einer Mitarbeit, vier sind dann auch zu einem zweiten Treffen gekommen.“ Mittlerweile war der Verein Burundikids mit an Bord gekommen, der gemeinsam mit der dort lebenden Deutschen Verena Stamm Projekte betreut, die den Weg zu einer qualifizierten Gesundheitsversorgung ebnen sollen. So baute der Verein die École Polyvalente Carolus Magnus (EPCM) mit auf, die bis heute einzige Schule, die eine PTA-Ausbildung anbieten kann. „Es entstand die Idee, neben der Grundversorgung der Bevölkerung auch noch einen Lehrbetrieb für angehende Pharmazeuten anzubieten“, sagt Morgenroth.
Bei allem ursprünglichen Interesse mochte das Projekt nicht recht von der Stelle kommen. Bis Nix vor einigen Wochen auf der Straße zufällig auf Brunner traf. „Ich entschuldigte mich bei ihm, dass ich es nach dem ersten Interesse einfach nicht mehr geschafft hatte, mich bei ihm zu melden“, erzählt die ehemalige Inhaberin der Ried-Apotheke. „Dabei ist internationale Hilfsarbeit genau mein Thema.“ Schon seit vielen Jahren engagiert sich Brunner für Apotheker ohne Grenzen (AoG). Im Dezember letzten Jahres noch nahm sie an einer dreiwöchigen tropenmedizinischen Fortbildung in Ghana teil.
Doch die Pharmazeutin musste in den letzten drei Jahren durch schwere Wasser gehen. Erst kündigte ihr eine langjährig erfahrene und gute PTA, dann verabschiedeten sich nacheinander die beiden fest angestellten Apothekerinnen und schließlich auch noch ein Lehrmädchen. „Zuletzt hab ich mehr oder weniger allein in der Apotheke gearbeitet.“
Dabei blieb es nicht: „Der Arzt aus der Praxis über mir kam im Januar 2017 nicht mehr aus dem Urlaub zurück. ‚Wegen Krankheit geschlossen‘, stand auf einem Zettel, der bis April diesen Jahres an der Praxistür hing.“ Der Mediziner nahm seine Arbeit nicht wieder auf. Damit blieben auch die Rezepte dauerhaft aus. Dazu starben die zum Teil hoch betagten Stammkunden aus der Gründungszeit der Apotheke nach und nach weg. „Ich schrieb nur noch Trauerkarten“, erinnert sich Brunner. Im nahe gelegenen Edeka-Center eröffnete eine neue Apotheke und nahm viele Laufkunden mit.
Brunner beschloss schweren Herzens, die Apotheke zum 30. Juni aufzugeben und reichte die Kündigung bei ihrer Vermieterin, dem Wohnungsbauunternehmen Wobak, ein. Damit nahm auf den letzten Metern das nächste Drama seinen Lauf: „Ich hatte einen Mietvertrag, der mich zum vollständigen Rückbau der Räume in ihren ursprünglichen Zustand verpflichtet“, so die Apothekerin. Der zuständige Mitarbeiter blieb unbarmherzig: „Einen Termin zur Begehung vor Ort hat er abgesagt. Das ist alles vom Schreibtisch aus entschieden worden.“
Im Gespräch mit Nix entschied sich Brunner, die gesamte Einrichtung und die Laborausstattung der neu zu gründenden Apotheke in Burundi zu spenden. „Burundikids war ganz begeistert von den Ziehschränken“, freut sich die Inhaberin. Das Theater trommelte 20 freiwillige Helfer und auch die bislang bereits am Projekt interessierten Apotheker zusammen. Burundikids stellte die Container.
Unter den Freiwilligen fanden sich auch Brunners ehemals schärfste Konkurrenten. Sie halfen unter anderem bei der Begutachtung und Sichtung der Instrumente. „Normalerweise arbeiten hier Apotheker gegen Apotheker. Herr Nix hat es geschafft, uns zusammenzubringen“, sagt Brunner. „Über diese Aktion haben wir uns wieder versöhnt, da hatte die Schließung schon etwas Gutes.“ Bis zu ihrem Abtransport stehen die Container am Proben- und Lagerzentrum des Theaters. Auch der Abtransport wird von Burundikids finanziert. Unter die Arme greifen soll dem Verein dabei die Aktion „Eine Apotheke für Burundi“, in den Konstanzer Apotheken stehen dafür Spendendosen aus.
Mittlerweile hat die Pharmazeutin ihren Frieden mit der Schließung gemacht. „Ich will jetzt Französisch lernen, um irgendwann selbst nach Burundi zu fahren.“ Sie glaubt an so etwas wie Fügung: „Mein Vorbesitzer hat die Apotheke mit eingerichtet, er liebte Afrika und hat dort öfter Expeditionen geleitet. Bei einem Unfall kam er dort ums Leben und ist auch in Afrika begraben“, erzählt sie. „Jetzt kommt die Apotheke wieder zu ihm zurück. Etwas Schöneres kann man sich doch gar nicht vorstellen.“
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