ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick

Nach Overwiening-Crash: Abda jetzt mit 34er-Präsidium Patrick Hollstein, 14.12.2024 08:01 Uhr

Weil der Platz an der Spitze leer bleibt, geht die Abda in die Breite. Montage: APOTHEKE ADHOC / Adobe Stock / Midjourney
Berlin - 

Völlig überraschend steht die Abda plötzlich ohne Präsidentin da: Kammern und Verbände haben Gabriele Regina Overwiening die Wiederwahl verweigert. Einen Gegenkandidaten oder einen Plan B gab es nicht – und noch immer ist niemand in Sicht, der den Job übernehmen kann oder will. Daher macht die Standesvertretung aus der Not eine Tugend und stellt sich breiter auf.

Nein, das hatten weder ChatGPT noch Armin Laschet kommen sehen: Overwiening wurde – man muss es so drastisch formulieren – regelrecht aus dem Amt gejagt. 52 Prozent Gegenstimmen in der Mitgliederversammlung sind ein erdrückendes Misstrauensvotum, vor allem wenn man bedenkt, dass es aus diesen Kreisen in den vergangenen vier Jahren so gut wie überhaupt kein Lebenszeichen gab. Dass jetzt im Nachhinein so viel über demokratische Strukturen und Prozesse geredet wird, macht die Sache erst recht verdächtig.

Ja, Overwiening hatte viel an sich gerissen, zu viel vielleicht. Hatte versucht, die Abda um sich herum zu bauen und auf sich zuzuschneiden. Eventuelle Kontrahenten auf Distanz zu halten. Unterstützer in Ämter zu hieven. Ihre eigene Wahrnehmung zur einzig wahren Perspektive zu machen. Andererseits gab es niemanden, der ihr zur Seite stand oder sie auf ihre Schwächen hinwies. Wenn einer jener unangenehmen Termine im BMG anstand, musste Overwiening hin. Auch wenn jeder wusste, dass sie dort einfach keine Punkte holen konnte.

Wie soll es nun weitergehen mit der obersten Standesvertretung der deutschen Apothekerschaft? Wenn man die Liste der Kammer- und Verbandsvertreter durchschaut, fällt es einem schwer, sich eine Kandidatin oder einen Kandidaten vorzustellen, die oder der die Abda aus dieser desaströsen Lage führen könnte. Wer hätte die Strahlkraft, Autorität, Unabhängigkeit, Vision und Leidenschaft, um für einen echten Aufbruch zu sorgen?

Eine Doppelspitze, etwa aus berufspolitisch erfahrener Person und Newcomer, könnte vielleicht für eine Lastenverteilung sorgen, aber nicht das inhaltliche, strategische und organisatorische Defizit überbrücken, das sich das Abda-Establishment immer noch nicht eingestehen will. Und mit jeder Apotheke, die schließt, wird es schwieriger, überhaupt noch geeigneten Nachwuchs für das Ehrenamt zu finden.

Die Lösung liegt indes wie immer ganz nah. Hat doch die Abda nach jahrelangem Beratungsprozess gerade erst eine Strukturreform verabschiedet: Kleinere Gremien, weniger Doppelbefassung, mehr Bums, so die Devise. Okay, das mit dem Deutschen Apothekertag (DAT) wird jetzt doch noch einmal ein bisschen rückabgewickelt. Aber wie wäre es, wenn man sämtliche Organe radikal zusammenstreicht und alle 34 Kammer- und Verbandschefs gemeinsam das Präsidium stellen?

Vorteil 1 liegt auf der Hand: Eine plötzliche Abwahl, wie sie jetzt Overwiening zum Verhängnis wurde, gibt es nicht mehr. Überraschungen wären von vornherein ausgeschlossen, weil man im gegenseitigen Unterhaken quasi noch mehr ineinander verzahnt ist. Wenn einer scheitert, scheitern alle. Hat fast schon was von den Musketieren.

Vorteil 2: Alle Angelegenheiten werden von denselben Köpfen ausgeknobelt, Gesamtvorstand, Geschäftsführender Vorstand, Mitgliederversammlung waren gestern. Die Abda ist die Abda. Basta.

Vorteil 3: Defizite, etwa rhetorischer Natur, lassen sich besser ausgleichen. Das Risiko, unpassende Vergleiche zu formulieren, ohne Aussicht auf Rückkehr vom Thema abzuschweifen und pastoraler als so mancher Prediger zu klingen, ist viel geringer, wenn verschiedene Talente zum Einsatz kommen. Einziger Nachteil: Bei Pressekonferenzen sitzen fortan mehr Personen auf dem Podium als im Zuschauerraum. Wobei nach den Erfahrungen der letzten Monaten viele nur den Platz wechseln müssten.

Vorteil 4: Endlich hätten die Apothekerinnen und Apotheker im Ministerium den Auftritt, den sie verdienen. Keine gebückte Haltung mehr am Katzentisch, sondern mit einem 34er-Präsidium könnten alle Plätze am riesigen Konferenztisch angemessen besetzt werden. Schon die Begrüßung aller Gäste würde eine halbe Stunde dauern, am Ende wüssten Lauterbach und sein Stab gar nicht mehr, aus welche Ecke ihnen die nächste schlagfertige Antwort entgegengeworfen wurde. Bämm, bämm, bämm! ApoRG weg, 12 Euro her!

Vorteil 5: Mehr Basis geht faktisch nicht. Wenn 34 Vertreterinnen und Vertreter an der Spitze der Organisation mitreden dürfen, ist am Ende doch jeder irgendwie ein Präsident. Flache Hierarchie, nur umgekehrt.

Vorteil 6: Wenn jeder Präsident ist, kann auch jeder Ehrenpräsident werden. Würde der Dachorganisation der deutschen Apothekerinnen und Apotheker noch mehr Glanz verleihen, als sie ohnehin schon hat.

Vorteil 7: Das Postengeschacher hätte endlich ein Ende. Avoxa, Gedisa, Rechenzentren, Genossenschaften, BFB, ZL und wo es sonst noch Mandate zu verteilen gibt: Endlich könnte jeder ein Stück vom Kuchen abbekommen. Zugegeben, in Sachen Aufwandsentschädigung, Spesen und Sitzungsgelder würde es dann etwas teurer. Dafür winken dem Berufsstand aber auch maximale Erfolge.

Mit Sicherheit gibt es noch zahlreiche weitere Argumente für eine solche Lösung, aber für den Moment wollen wir dafür auf die Kommentarspalte verweisen. Bis zum 16. Januar müssen sich die Standesvertreter einig werden, wie sie ihre Arbeit fortsetzen und vor allem welche Akzente sie setzen wollen. Das gesamte gesundheitspolitische Berlin wartet gespannt darauf. Aber erst mal ist Weihnachten. Beziehungsweise dritter Advent. Schönes Wochenende!