In diesem Jahr gab es endlich keine Beschränkungen mehr: Millionen Menschen feierten ausgelassen Karneval, Fasching oder Fastnacht. Knapp eine Woche nach Beginn der Feierlichkeiten machen sich die Auswirkungen allerdings bemerkbar: Die Anzahl der Corona-Fälle hat sich erhöht, auch beim Personal gibt es vermehrt Ausfälle, berichten Apotheken aus den Karneval-Hotspots in Deutschland.
Das Infektionsgeschehen hatte sich in den letzten Wochen beruhigt. Zum 1. März läuft deshalb auch die Testverordnung vorzeitig aus. Die Massenveranstaltungen ohne Einschränkungen in der Karnevalswoche scheinen das Infektionsgeschehen aber wieder angekurbelt zu haben: Aus Sicht der Apotheken mitten im Geschehen ist die Anzahl der Corona-Fälle merklich angestiegen.
Siegburg, eine Kreisstadt in Nordrhein-Westfalen, zählt zu einer der vielen Karnevalshochburgen in Deutschland. Dicht aneinander wurde getanzt, getrunken und gelacht. Raimund Löffelholz, Inhaber der St. Rochus-Apotheke, erlebt daher aktuell einen enormen Verkaufsanstieg bei Coronatests. Waren es im gesamten letzten Monat 47 Stück, waren es allein am heutigen Vormittag schon 18 Schnelltests, die über den HV-Tisch gegangen sind. „Es ist Wahnsinn“, sagt Löffelholz.
Das Infektionsgeschehen ist nach Karneval deutlich gestiegen. Löffelholz sieht die Mehrzahl der Coronainfizierten tagtäglich vor seinem Betrieb, denn möchten Patient:innen nebenan zur Infektionssprechstunde, müssen sie draußen warten und stehen vor der Apothekentür. Außerdem haben die umliegenden Ärzt:innen gegenüber dem Apotheker bestätigt, dass unter dem aktuell enormen Aufkommen an Erkrankten viele positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden.
„Einen Anstieg an Erkältungskrankheiten gibt es immer nach Karneval“, berichtet der Apotheker. Jetzt paaren sich diese allerdings drastisch mit dem Coronavirus. Löffelholz sieht die Problematik bei Erkrankten, die das Virus nicht so gut verkraften und folglich an Long-Covid leiden. Die Lage sei schwer einzuschätzen und nicht vergleichbar mit den Erkältungswellen vergangener Jahre. Die Symptomatik der Infizierten ist nicht immer mild: Oft sind die Verläufe schwerwiegend und vor allem werden die Patient:innen von unbändigem Husten gequält. „Erfahrungsgemäß dauert die Welle bis Mitte März, dann könnte es besser werden“, hofft Löffelholz.
Die Plexiglasscheibe, die zu Beginn der Pandemie auf allen HV-Tischen aufgestellt wurde, steht noch immer. „Die bleibt auch schön drauf.“ Löffelholz würde nicht einfallen, diese Schutzvorrichtung abzubauen. Alle Mitarbeiter:innen tragen zudem einen Mund-Nasen-Schutz, um sich weitestgehend vor dem Coronavirus zu schützen. Und schließlich hat der Inhaber einen Luftreiniger einbauen lassen, „der uns hoffentlich das Schlimmste vom Hals hält.“ Glücklicherweise ist bei seinen Kund:innen Vernunft erkennbar. „Sie verhalten sich sehr diszipliniert, mit Abstand zueinander und warten mitunter draußen, bis die Offizin leer wird, bevor sie eintreten.“
Apothekerin Daniela Hundelshausen hält in der Brunnen-Apotheke in Hallenberg ebenfalls noch immer einige Corona-Schutzmaßnahmen aufrecht. Schon zu Beginn der Pandemie hatte sie Duschvorhänge als Aerosolabwehr in der Offizin angebracht: „Das entstand eigentlich aus der Not heraus, weil es keine Plexiglasscheiben gab. Später haben wir dann nachgerüstet.“ Hundelhausens Sohn sei Tonmeister und habe sogar eine Sprechanlage angebracht. „So können wir die Kunden wunderbar verstehen, und auch die älteren Menschen haben sehr von dieser Installation profitiert“, so die Apothekerin.
Aktuell schnellen die Infektionszahlen in die Höhe. Nach dem Karneval habe sie in der Apotheke vermehrt positiv geteste Kund:innen gehabt: „Aus der Belegschaft sind ebenfalls zwei von neun Mitarbeitern an Corona erkrankt.“ Deswegen ist die Sauerländerin froh, nichts von dem Corona-Schutz entfernt zu haben. „Wir leiden ja nicht darunter, im Gegenteil. Wenn jemand in der Offizin hustet, können wir uns trotzdem entspannt unserer Arbeit zuwenden und brauchen nicht gleich Angst zu haben, dass derjenige vielleicht Corona hat.“ Die Inhaberin wünscht sich von ihren Patient:innen, dass innerhalb der Apotheke Masken getragen werden: „Die Zahlen gehen momentan nach oben wie verrückt, wenn jemand die Offizin betritt, ohne Maske, dann verschenke ich auch gern eine. Das nehmen fast alle dankend an.“
Auch in Köln in der Colonia Apotheke sind die Plexiglasscheiben nicht abgebaut worden, berichtet Inhaber Philippe Bartels. Den Kund:innen sei aber freigestellt, ob sie in der Apotheke eine Maske tragen möchten. Tatsächlich würden aktuell wieder mehr Kund:innen mit Maske in die Apotheke kommen.
Die Colonia Apotheke bietet auch Corona-Schnelltests an, die Nachfrage sei in den letzten Tagen definitiv gestiegen, berichtet der Apotheker. „Die Anzahl der positiven Fälle hat sich auch erhöht“, sagt er. Sein Team müsse sich zum Schutz der Patient:innen nun auch wieder testen, „dadurch habe ich auch bei meinem Personal Ausfälle“, so Bartels weiter.
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