„Nach Hessen zu gehen, empfehle ich niemandem“ Katharina Brand, 05.07.2024 09:56 Uhr
„Wenn mich jemand fragt, ob Hessen eine gute Wahl für ausländische Apotheker ist, die eine deutsche Berufserlaubnis anstreben, sage ich definitiv Nein. Es sei denn, die Person hat Nerven aus Stahl“, stellt Apotheker Nikola Bošković klar. Dabei ist die Motivation von Apotheker:innen aus den Balkanländern sehr hoch, denn: In Deutschland ist vieles besser geregelt als in der Heimat.
Bošković rät Kolleg:innen aus dem Ausland, ihre Berufserlaubnis und alle dazugehörigen Prüfungen in einem anderen Bundesland zu erlangen – und sich dann in Hessen einen Job zu suchen, wenn sie dort leben möchten. „Direkt nach Hessen zu gehen, das empfehle ich niemandem.“ Denn: In Hessen wartet man mitunter ein bis zwei Jahre, um überhaupt eine Antwort zu erhalten. Viele hoch ausgebildete ausländische Fachkräfte sind deshalb gezwungen, in Deutschland als Praktikant:innen zu arbeiten. Dabei werden Fachkräfte händeringend gesucht.
Denn: Es ist völlig egal, in welchem Bundesland eine ausländische Person ihre Approbation erhält; sie gilt nach Erhalt bundesweit. Bošković selbst hat seine Berufserlaubnis in Bayern erhalten. „Das verlief reibungslos. Innerhalb von vier Wochen hatte ich meine Urkunde.“
Vorbereitung ist alles
Der Apotheker hat selbst schlechte Erfahrungen gemacht, als er aus seiner Heimat Serbien nach Deutschland ausgewandert ist. „Nicht alle Beamten wissen gut über den Anerkennungsprozess Bescheid“, beklagt er. „Und wenn man dann auch noch falsche Informationen bekommt, verliert man auf lange Sicht kostbare Zeit.“
Als Beispiel führt Bošković die Übersetzung wichtiger Dokumente an; diese müssen von offizieller Stelle ins Deutsche übertragen werden. „Einer serbischen Kollegin hat man mitgeteilt, sie solle einfach ihre Dokumente übersetzen lassen und an das zuständige Amt in Münster schicken.“ Erst im Nachhinein beschwerte sich die Behörde, dass die Übersetzung nicht durch eine offizielle Stelle in Deutschland erfolgt war. „Hätte die Kollegin von Anfang an die richtigen Informationen gehabt, würde sie jetzt vielleicht schon als Apothekerin in Deutschland arbeiten.“ Noch wartet die Fachkraft seit sechs Monaten auf die Antwort des Amtes.
Gezielte Unterstützung
Um solche Probleme zu vermeiden, betreibt der Apotheker mit zwei weiteren Kolleg:innen eine Social-Media-Gruppe, um Fachkräfte aus dem Ausland zu informieren. „Meist erfahren Interessierte durch eine Weiterempfehlung von uns“, berichtet der Apotheker. Mittlerweile betreibt Bošković auch eine eigene Website, auf der er nicht nur seinen eigenen Weg nach Deutschland beschreibt, sondern auch hilfreiche Tipps für Apotheker:innen aus dem serbokroatischen Raum zur Verfügung stellt. Sein Ziel: Fachkräfte aus dem Ausland auf ihrem Weg nach Deutschland gezielt zu unterstützen. Er bietet Karriereberatung und Kurse in deutscher Fachsprache für Apotheker:innen an und unterstützt Arbeitgebende und Arbeitnehmende bei der Antragsstellung bei unterschiedlichen deutschen Behörden.
„Die Kolleginnen sind hoch motiviert“
Bošković möchte noch einen weiteren Blickwinkel eröffnen, denn: „Dort, wo Serbien scheitert, ist Deutschland meiner Erfahrung nach wirklich hervorragend. Viele Kollegen sind deshalb besonders motiviert, in Deutschland zu arbeiten.“ Er selbst fühlte sich in seiner Heimat beruflich nicht wohl. „Die Gesetzeslage in Serbien und anderen Balkanländern wie Bosnien, Montenegro oder Makedonien unterscheidet sich eigentlich nicht großartig von der in Deutschland.“ Schließlich wollen besagte Länder in die EU aufgenommen werden. „Das Problem ist, dass diese Gesetze nicht beachtet werden.“
Als Beispiel führt der Apotheker Ibuprofen 400 Miligramm an. Auch in dieser Dosis ist das NSAR in Serbien verschreibungspflichtig. „Dennoch kann man es in jeder Apotheke rezeptfrei bekommen. Gleiches gilt für höhere Dosierungen.“ Die Handhabung gelte auch für alle weiteren verschreibungspflichtigen Arzneimittel. „Ich habe sehr oft erlebt, dass die Menschen nach Antibiotika gefragt haben. Nach serbischem Recht benötigt man ein Rezept. Wenn ich die Abgabe ohne Rezept aber verweigere, dann erzählen sie, dass ich ein schlechter Apotheker bin und dass ich meine Arbeit nicht kenne.“ Das Resultat: Die Kundschaft geht in eine andere Apotheke – und bekommt dort ihr Präparat ohne Verordnung.
Für Bošković war das ein ständiges Dilemma, mit dem er sich nicht wohl fühlte: „Ich musste gegen das arbeiten, woran ich eigentlich glaube und in Deutschland gibt es das in dem Maße einfach nicht. Ich fühle mich hier als Apotheker ernst genommen.“ Zwar bestehe auch in Serbien eine Dokumentationspflicht: „Aber es kontrolliert niemand.“