Mit zwei großen Nägeln für ein Bolzensetzgerät bewaffnet hat ein Drogenabhängiger eine Apotheke in Hessen überfallen. Sein Fall wurde jetzt vom Bundesgerichtshof (BGH) an das Amtsgericht Bad Homburg zurückverwiesen, weil unter anderem die Frage der Schuldfähigkeit genauer geprüft werden muss.
Der Vorfall ereignete sich am 20. April 2018. Ab mittags hatte der spätere Apothekenräuber bis in die Nacht hinein in der Nähe des Bahnhofs gemeinsam mit Bekannten „drei Flaschen Whisky und eine unbekannte Menge Bier“ konsumiert. Dazu kamen 6 bis 7 Gramm Amphetamin und 2 Gramm Kokain. Bis zum Morgen wanderte er anschließend ziellos durch die Straßen. Da er weitere Drogen konsumieren wollte, aber kein Geld hatte, beschloss er, die ihm bekannte Apotheke zu überfallen.
Bewaffnet mit zwei 6 cm langen Hochleistungsnägeln für ein Bolzensetzgerät und mit einem Tuch vermummt, betrat er die Apotheke gegen 9:15 Uhr und verlangte Bargeld. Als die Angestellte zurückwich, trat er hinter den HV-Tisch und nahm 150 Euro aus der Kasse. Dabei verlor er einen der Nägel.
Von dem erbeuteten Geld kaufte er sich Amphetamine und kehrte nach deren Konsum nach Hause zurück, wo er sich schlafen legte. Er wurde gefasst und hat die Tat gestanden. Das Landgericht Frankfurt hatte den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen zu einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
Doch im Revisionsverfahren hat der BGH bei der Strafzumessung Rechtsfehler erkannt. Eine Drogenabhängigkeit an sich bedingt demnach zwar keine verminderte Schuldfähigkeit. Eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit ist laut BGH bei Rauschgiftsüchtigen demnach nur ausnahmsweise gegeben, etwa bei schwersten Persönlichkeitsänderungen nach langjährigem Drogenmissbrauch, starken Entzugserscheinungen oder ein akuter Rauschzustand. Allerdings kann auch die Angst vor unmittelbar bevorstehenden Entzugserscheinungen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit führen, wenn der Täter diese schon einmal als sehr unangenehm erlitten hat.
Das Landgericht hat dies in diesem Fall aus Sicht der BGH falsch eingeschätzt. Denn einerseits werde ausgeführt, der Angeklagte habe den Drogenkonsum vor seiner Mutter geheim halten können und er habe vor und nach der Tatbegehung gearbeitet. An anderer Stelle heiße es, dass er zur Tatzeit keine Arbeit gehabt habe und von Ersparnissen und Zuwendungen der Mutter gelebt habe, bis es nach der Tat zum Zerwürfnis gekommen sei. Dieser Widerspruch werde vom Gericht nicht aufgelöst.
Auch die Prüfung, ob der Angeklagte unter Entzugserscheinungen litt, findet der BGH lückenhaft. Zwar soll er bei der Tat nicht sichtbar gezittert oder geschwitzt und mit normaler, fester Stimme gesprochen haben. Das Landgericht hätte aber näher erklären müssen, was das für jemanden bedeutet, der über einen längeren Zeitraum intensiv Alkohol, Kokain und Amphetamin konsumiert. Angesichts der Tatumstände könnte es laut BGH in diesem Fall zutreffen, dass der Angeklagte durch seine Angst vor Entzugserscheinungen die Tat begangen habe – mit Folgen für die Frage der Steuerungsfähigkeit.
Der BGH hat den Fall sogar an das zuständige Amtsgericht zurückverwiesen. Der neue Tatrichter soll die Frage der Schuldfähigkeit neu beurteilen und das Vorliegen einer Gesamtstrafenlage näher in den Blick nehmen. Außerdem soll eine mögliche Unterbringung in einer Entziehungsanstalt geprüft werden.
APOTHEKE ADHOC Debatte