Den nicht endenden Berichten über Lieferpässe bei Arzneimitteln will die Große Koalition jetzt mit gesetzlichen Maßnahmen begegnen: Dazu haben die Gesundheitspolitiker von Union und SPD jetzt einen Änderungsantrag zum Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) mit fünf Vorschlägen vorgelegt. Auf das Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) warten will die Koalition nicht länger: Apotheker sollen künftig Rabattarzneimittel nach 24-stündiger Lieferunfähigkeit gegen ein wirkstoffgleiches Arzneimittel austauschen können. Die Änderungen sind aber noch nicht abgestimmt.
Die Vertragspartner des Rahmenvertrags hätten eine bedarfsgerechte Versorgung mit rabattierten Arzneimitteln sicherzustellen, heißt es in der Begründung zur erweiterten Austauschbarkeit: „Das derzeitige Verfahren zur Abgabe rabattierter und preisgünstiger Arzneimittel kann zu einer erheblichen Belastung der Apotheken führen.“ Der Zeitaufwand, der mit der wiederholten Verfügbarkeitsabfrage durch die Apotheken beim Großhandel verbunden sei, könne auch eine verzögerte Versorgung der Patienten zur Folge haben.
„Nach Ablauf von 24 Stunden werden deshalb die Apotheken berechtigt, ein anderes wirkstoffgleiches, auch nicht rabattiertes Arzneimittel abzugeben. Das abzugebende Arzneimittel darf nicht teurer sein als das verordnete Arzneimittel“, heißt es weiter. Weitere Einzelheiten zur Abgabe und Abrechnung seien zwischen Krankenkassen und DAV festzulegen – es kommt also auf die genaue Formulierung im Rahmenvertrag an.
Bei Defekten eines Rabattarzneimittels darf die Apotheke zwar eine Sonder-PZN nutzen, die Abgaberangfolge wird aber nicht außer Kraft gesetzt. Sie muss so lange durchlaufen werden, bis ein abgabefähiges Arzneimittel ermittelt wurde. Für jeden einzelnen Rabattpartner sind je zwei Nichtverfügbarkeitsnachweise beim Großhandel einzuholen und zu dokumentieren. Dann darf die Apotheke eines der vier preisgünstigsten Arzneimittel beziehungsweise einen preisgünstigen Import abgeben; fehlen auch diese, darf das nächstpreisgünstige verfügbare Arzneimittel abgegeben werden. Jedoch dürfen die Präparate nie teurer als das verordnete sein.
Erweitert werden die Kompetenzen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Der dort angesiedelte Jour Fixe zu Lieferengpässen soll zu einem Beirat ausgebaut werden. Regelmäßig erörtern in Bonn Vertreter der Herstellerverbände, des Großhandels, der Ärzte- und Apothekerschaft sowie Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) sowie von BfArM und Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sowie der für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs zuständigen Landesbehörden Maßnahmen, um versorgungsrelevante Lieferengpässe zu vermeiden oder deren Auswirkungen abzumildern. „Dieses Gremium wird nunmehr als Beirat im Arzneimittelgesetz geregelt und erhält den gesetzlichen Auftrag einer Beobachtung und Bewertung der Versorgungslage“, so der Änderungsantrag.
Hierzu gehöre insbesondere die Bewertung der Versorgungsrelevanz eines Lieferengpasses unter Berücksichtigung möglicher bestehender Therapiealternativen. Für versorgungsrelevante Fragen sollten auch der GKV-Spitzenverband, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) im Beirat vertreten sein. Für die Bundesoberbehörden werde eine „Befugnisnorm“ geschaffen, um geeignete Maßnahmen ergreifen zu können.
Hierbei berücksichtigen die Bundesoberbehörden die Bewertungen des Beirates: „Abhängig vom Einzelfall und von der Bedeutung des Engpasses für die Versorgung kommen hier unterschiedliche Maßnahmen in Betracht. So kann die Bundesoberbehörde zum Beispiel im Einzelfall zur Vermeidung versorgungsrelevanter Lieferengpässe Anordnungen zur Lagerhaltung treffen.“
Zudem wird der Großhandel wird verpflichtet, Daten zu den verfügbaren Beständen und der Absatzmenge des Arzneimittels an die Bundesoberbehörde zu liefern. Im Zusammenhang mit einem drohenden oder bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpass werde dem BfArM damit ein umfassender Überblick über Restbestände von Arzneimitteln ermöglicht. „Dieser Überblick ist erforderlich, um die Versorgungslage einzuschätzen und um über geeignete Maßnahmen zur Abwendung drohender oder Abmilderung bestehender versorgungsrelevanter Lieferengpässe zu entscheiden“, heißt es weiter in der Begründung.
Ob die Änderungsanträge ins GKV-KG tatsächlich eingehen ist noch nicht entschieden. Das Gesetz wurde bereits im Oktober vom Kabinett beschlossen und soll Ende November im Bundesrat beraten werden. Mitte Dezember findet die erste Lesung im Bundestag und anschließend die Anhörung und Beratung im Gesundheitsausschuss. Dort können dann auch möglichen Änderungsanträge beraten werden.
Auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte angekündigt, sich der Defekte anzunehmen. „Das treibt mich sehr um“, sagte er bei der Bundeshauptversammlung des Virchowbundes. Es sei allerdings leichter gesagt als getan, eine Lösung für dieses Problem zu finden. Als Gründe für Lieferengpässe sieht die Bundesregierung „sehr unterschiedliche Ursachen“. Globale Lieferketten mit der Konzentration auf wenige Herstellungsstätten könnten ein Grund sein, aber auch Qualitätsmängel bei der Herstellung, Produktions- und Lieferverzögerungen bei Rohstoffen oder Entscheidungen der Hersteller wie Produktionseinstellungen aus verschiedenen Gründen werden angeführt.
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