Massive Engpässe

„Musste Kinderantibiotikum für Erwachsene abgeben“

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Berlin -

Die Grippe- und Erkältungssaison ist gestartet. Auch in diesem Jahr kommt es bei der Versorgung mit Arzneimitteln weiterhin zu Verzögerungen und Engpässen. Besonders betroffen sind Antibiotika, Blutdrucksenker, Schmerzmitteln oder auch Krebsmedikamente und Insuline. „Es geht sogar so weit, dass ich aufgrund einer Akutversorgung einem Erwachsenen nur einen antibiotischen Kindersaft anbieten konnte statt der üblichen Tabletten“, beklagt eine Inhaberin.

„Die Aktivität akuter Atemwegserkrankungen in der Bevölkerung ist in der 37. Kalenderwoche im Vergleich zur Vorwoche deutlich gestiegen“, so das Robert Koch-Institut (RKI) in seinem aktuellen Wochenbericht. Die Erkältungssaison ist folglich schon gestartet. Demgegenüber steht eine lange Liste mit von Lieferengpässen betroffener Arzneimittel; sie variiert zwischen 400 und 1000 Präparaten. Vor allem Antibiotika fehlen.

Eine Inhaberin bekam erst kürzlich eine Verordnung über Azithromycin von einem Erwachsenen vorgelegt, die sie so nicht beliefern konnte. „Ich musste aufgrund der Engpässe auf einen Kindersaft ausweichen“, erklärt sie.

„Wir sind ständig und überall am Ausbügeln und Diskutieren mit den Patienten, wieso die Packung wieder anders aussieht oder warum es zwei kleine statt einer großen Packung gibt“, so die Apothekerin. „Ich muss dann erklären, warum der Erwachsene das Antibiotikum in Saftform und nicht in Tablettenform bekommt.“

Mittlerweile habe sie zwar wieder Tabletten des Medikamentes bestellen können, aber die Situation war dennoch unangenehm. „Jeden Tag erläutern wir, warum die Stärke und Dosierung anders ist, als vom Arzt ursprünglich verordnet, warum unter Umständen sogar ein ganz anderer Wirkstoff abgegeben werden muss und so weiter“, so die Inhaberin.

Das sei aber noch nicht alles: „Dazu kommen unzählige Telefonate und zusätzliche Arztkontakte und das alles für läppische 50 Cent“, ärgert sie sich. „Dafür wird anderswo noch nicht mal ein Bleistift in die Hand genommen“, so die Apothekerin. „Zum Dank für den Einsatz wurde unser seit 20 Jahren eingefrorenes Honorar für zwei Jahre über den erhöhten Kassenabschlag sogar noch gekürzt.“

Zudem drohe Karl Lauterbach (SPD) damit, „entweder seine vergiftete Reform zu akzeptieren“ oder „wir werden komplett dem Versand zum Frass vorgeworfen“, macht sie deutlich. „So sieht die Realität in Apotheken aus, eigentlich komisch, dass das keiner mehr machen will“, fügt sie zynisch hinzu.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sieht das ganz anders und dementiert die Kritik der großen Zahl an Medikamentenengpässen. In Deutschland gebe es „keine Versorgungsknappheit“, erklärte ein Ministeriumssprecher gegenüber der Bild-Zeitung. Mehr noch: Die Lieferengpässe hätten sich im Vergleich zum Vorjahr „bereits halbiert“. Bei den Ausfällen handele es sich lediglich um „punktuelle Lieferengpässe in einem sehr komplexen Markt“, wird der Sprecher zitiert.

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