Mikroplastik: Apothekerin schmeißt Kosmetik raus Carolin Ciulli, 14.06.2019 08:01 Uhr
Seit einem Dreivierteljahr befasst sich Apothekerin Anne Peus-Woltemade intensiv mit Mikroplastik. Im Visier hat sie vor allem Stoffe, die auch in Apothekenkosmetik und Rezeptursubstanzen vorkommen. Einzelne Artikel großer Hersteller sind bereits aus den Regalen verschwunden. „Würde man alle Produkte mit bedenklichen Stoffen rausnehmen, wäre fast die ganze Apotheke leer“, sagt sie.
Peus-Woltemade beschreibt sich selbst als umweltbewusst. In den vergangenen Monaten hat die Inhaberin der Flora-Apotheke im niedersächsischen Hatten-Sandkrug einen Leitfaden mit bestimmten kleinsten Plastikpartikeln zusammengestellt, die sie für bedenklich hält. Das Mikroplastik verbirgt sich in Kosmetik und gelangt beispielsweise über Peelings in das Grundwasser.
Laut WWF ist Wasser die größte Aufnahmequelle für den Menschen – wöchentlich nimmt eine Person demnach im Schnitt bis zu fünf Gramm Plastik auf. Das entspricht in etwa dem Gewicht einer Kreditkarte. Die Apothekerin zog bei ihrer Recherche Dokumente von Umweltorganisationen zu Rate. Herauskamen etliche Stoffe, die Peus-Woltemade nicht aus ihrem Berufsalltag streichen kann. Etwa weil Ärzte bestimmte Rezepturen verordnen, die diese Stoffe enthalten.
„Wir haben uns jetzt erst einmal auf Polyacrylate konzentriert.“ Viele Produkte bekannter Firmen seien voll damit. „Die haben wir rausgenommen.“ Frage ein Kunde gezielt danach, werde er aufgeklärt und bekomme eine Alternative angeboten. Das mit Mikroplastik belastete Produkt erhalte er höchstens nur noch einmal. Betroffen seien vor allem Sonnenschutzpräparate für allergische Haut, Kosmetik für Allergiker sowie Duschgele.
Konkrete Marken will die Apothekerin nicht nennen. Zu groß ist die Sorge vor den Herstellern. „Ich will keinen Ärger.“ Denn beim Außendienst kam ihre Recherche nicht immer gut an. Manche Vertreter hätten das Vorhandensein von Mikroplastik einfach abgestritten, einige wollten die Liste über alle kosmetischen Inhaltsstoffe nicht rausrücken, manche besuchen sie mittlerweile gar nicht mehr. „Ich habe schon die tollsten Dinge gehört. Man wird von oberster Stelle veräppelt.“
Mikroplastik habe für die Haut keinen Effekt, kritisiert Peus-Woltemade. In der Umwelt seien sie dagegen nur schwer oder gar nicht abbaubar. Polyacrylate würden als Emulgatoren eingesetzt. Sie steigerten beispielsweise die Gelier- und Quellfähigkeit. Gelangen die Kleinstpartikel in die Umwelt, können sie sich auf Pflanzen oder dem Meeresgrund ablagern und dabei persistent toxische Stoffe an ihrer Oberfläche binden. Dies erhöht die Schadstoffbelastung der Meere. Werden Plastikpartikel von Fischen oder Vögeln gefressen, beeinträchtigen sie zudem das Verdauungssystem und können auch über die Nahrung vom Menschen aufgenommen werden.
Die Landapotheke verfüge im Verhältnis über eine große Kosmetikabteilung. Bisher seien rund 100 Produkte ausgelistet worden. Die Kunden reagierten meist interessiert auf ihre Aktion. „Die Aufklärung wird gut aufgenommen.“ Vor allem die älteren seien interessiert. Bei den jüngeren habe man den Eindruck, dass es ihnen eher egal sei. Manche verlangten die Produkte mit Mikroplastik unbedingt und müssten woanders hingehen, sagt die Inhaberin „Wir sind gerade dabei, viele andere Firmen auf Lager zu nehmen, deren Sortiment unbedenklich ist. Irgendwann muss man anfangen.“