Die AOK geht davon aus, dass die neuen Rabattverträge morgen reibungslos starten werden. Doch in den Apotheken zeigt sich ein anderes Bild: Mehrere Rabattpartner können dem Vernehmen nach wegen der unerwartet schnellen Umsetzung der Verträge nicht pünktlich liefern. Zu den Ausfällen zählt mit dem Antidiabetikum Metformin auch einer der großen Wirkstoffe der sechsten Tranche.
Der Hersteller, die Firma Dexcel, lässt die Tabletten in Indien produzieren. Der Vertragspartner muss seine Produktion nun innerhalb kürzester Zeit von knapp 10 Millionen auf rund 50 Millionen Tabletten pro Woche steigern - und dabei ist eine Bevorratung der Apotheken noch nicht einkalkuliert. Weil die Ware wegen dieser enormen Volumina in jedem Fall verschifft werden muss, wird Dexcel nach eigenen Angaben erst in sechs bis sieben Wochen voll lieferfähig sein. Immerhin: Bei den Rabattprodukten Losartan und Amlodipin kann Dexcel aus dem Vollen schöpfen und alle Apotheken versorgen.
Die AOK geht trotzdem grundsätzlich davon aus, dass alle Vertragspartner ab morgen in der Apotheke verfügbar sind. „Wir haben unsere Partnerunternehmen aber vorab informiert, damit sie sich trotz der laufenden Nachprüfungsverfahren logistisch auf den Vertragsstart vorbereiten konnten“, argumentierte AOK-Rabatt-Chef Dr. Christopher Hermann am Vormittag.
Dexcel-Chef Dr. Mathias Pietras hält dagegen, dass Teile der Rabattrunde tatsächlich zweimal ausgeschrieben werden mussten. „So etwas muss jeder sorgfältige Kaufmann einkalkulieren. Denn es ist ja nicht so, dass Herr Dr. Hermann uns die Überkapazitäten abgekauft hätte, wenn keine Verträge zustande gekommen wären.“
Dexcel gilt in der Branche wahrhaftig nicht als größter Kritiker der Rabattverträge: Vor gut einem Jahr hatte das Unternehmen aus dem bayerischen Alzenau die Ausschreibungen als Chance bezeichnet, um im Markt Fuß zu fassen. Auch jetzt hat Pietras in gewissem Maß Verständnis für die AOK: Schließlich habe die Kasse die Verzögerungen nicht selbst verschuldet. „Aber wir hätten uns gewünscht, dass die AOK die Lieferfähigkeit für jeden Wirkstoff abfragen und die Rabattkennzeichen im Zweifel später melden würde“, so Pietras.
Jetzt muss der Hersteller seine Metformin-Lieferungen zunächst kontingentieren. Weil die Unternehmen nicht sehen könnten, für welche Versicherten die Präparate bestimmt sind, bleibe viel Arbeit an den Apotheken hängen, so Pietras. Wenn Rabattverträge unterschiedlicher Krankenkassen um eine vorhandene Packung konkurrieren, könnten die Apotheker zunächst bei AOK-Versicherten von der Friedenspflicht Gebrauch machen. „Man kann die Situation leider nicht mehr ändern. Jetzt müssen alle Geduld haben und Verständnis zeigen“, sagte Pietras.
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