Verunreinigung

Metformin: Kommt das NDMA aus dem Blister? Nadine Tröbitscher, 05.12.2019 10:19 Uhr

Berlin - 

Wie kommt N-Nitrosodimethylamin (NDMA) ins Metformin? Die ersten Theorien gibt es aus Polen: Möglicherweise könnte das Nitrosamin aus dem Blister in die Tabletten übergetreten sein.

Neue Erkenntnisse im Fall Metformin. Wie die polnische Onlinezeitung „Gazeta Prawna“ am Morgen mitteilte, könnte das nun auch in Metformin nachgewiesene Nitrosamin aus den Blistern stammen. „Ein Wirkstoffhersteller vermutet, dass NDMA aus den Blistern in die Medikamente gelangt ist.“ Diese Theorie wurde laut „Gazeta Prawna“ von dem namentlich nicht genannten Unternehmen bereits im September an die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) gemeldet. Diese habe die Information daraufhin an die Arzneimittelhersteller weitergeleitet.

Bewahrheitet sich die Vermutung, wäre es aus Sicht von Łukasz Waligórski, Pharmazeut und Chefredakteur des Branchenportals „Mgr.Pharm.“, eine „wirklich gute Nachricht“. Denn: „Man könnte einfach die Verpackungsart ändern.“ Professor Dr. Zbigniew Fijałek, ehemaliger Direktor des polnischen nationalen Arzneimittelinstituts, teilt diese Einschätzung: „Die Notwendigkeit der Änderung des Syntheseprozesses wäre wiederum eine sehr ernste Angelegenheit. Das wäre sehr aufwendig und würde Jahre dauern. Und schlimmer noch, maßgebliche Änderungen im Syntheseprozess würden erfordern, dass es Änderungen in der Registrierung der Arzneimittel geben müsste. Das könnte sehr lange dauern.“

Aus Sicht von Fijałek ist allerdings nach wie vor auch die Wirkstoffproduktion in China eine mögliche Quelle für Verunreinigungen. Denn die Hersteller stünden unter hohem Kostendruck. „Man kann keine hohe Qualität gewährleisten, wenn man spart.“ Es sei nicht das erste Mal, dass in China hergestellte Wirkstoffe verunreinigt seien. Zuletzt waren Sartane und Ranitidin mit NDMA kontaminiert.

Die „Gazeta Prawna“ bezieht sich in ihrem Bericht auf das Arztportal Mp.pl. „Unsere Informationen belegen, dass die Verunreinigung unabhängig voneinander in Asien und Deutschland festgestellt wurde. Diese betrifft Produktionen aus chinesischen Fabriken, die große Teile Europas beliefern.“ Bei der „unerwünschten Substanz handelt es sich um NDMA“.

„Wir haben keine Informationen, die belegen, dass Metformin-haltige Arzneimittel Leben oder Gesundheit gefährden“, gibt der polnische Vize-Gesundheitsminister Janusz Cieszynski über Mp.pl zu Protokoll, nachdem in Polen ein Krisenstab des Gesundheitsministeriums tagte. Einen Rückruf gibt es derzeit in Polen nicht.

Die Gesundheitsbehörde in Singuapur (HSA) hatte die Verunreinigung in einzelnen Metformin-haltigen Arzneimittel nachgewiesen und vorsorglich einen Rückruf von drei der 46 untersuchten Arzneimittel eingeleitet. Betroffen sei lediglich ein kleiner Teil der Metformin-haltigen Medikamente, die in Singapur auf dem Markt sind und die nur über einen kurzen Zeitraum im vergangenen Jahr ausgeliefert wurden.

„Nach Informationen, die den EU-Behörden vorliegen, scheinen die in den betroffenen Metformin-haltigen Arzneimitteln analysierten NDMA-Konzentrationen innerhalb des Bereichs zu liegen, der auch normalerweise durch die Ernährung und die auf natürliche Weise im Körper hergestellte Menge an NDMA zugeführt wird“, teilt die EMA mit. Jetzt sind die Hersteller in der Pflicht: Sie wurden aufgefordert, die Arzneimittel zu untersuchen und die Ergebnisse offen zu legen. Derzeit werden bei den Firmen auch die Lohnhersteller identifiziert.

An die Patienten gibt die EMA folgenden Rat: „Nehmen Sie ihr Arzneimittel weiter ein, um den Blutzucker unter Kontrolle zu halten.“ Werde die Behandlung abgebrochen, seien ernsthafte Gesundheitsprobleme wie Nierenschäden, Sehstörungen oder Herzerkrankungen möglich. Fest steht: „Die Risiken einer unzureichenden Diabetes-Behandlung überwiegen bei weitem die möglichen Auswirkungen von NDMA in Metformin.“

Dem schließt sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) an. Patienten sollen die Arzneimittel nicht absetzen. Die Behörde befinde sich in enger Abstimmung mit der EMA und den in Deutschland für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs zuständigen Landesbehörden. „Mit Blick auf diese noch laufende Abstimmung können derzeit noch keine abschließenden Aussagen zu möglichen weiteren Maßnahmen getroffen werden.“

Mit 9,2 Millionen Verordnungen ist Metformin laut Arzneiverordnungsreport das am häufigsten eingesetzte Antidiabetikum. Im vergangenen Jahr war zunächst Valsartan betroffen, hier gab es reihenweise Rückrufe, bis der Markt leer gefegt war. Später wurden weitere Verunreinigungen festgestellt. Auch in Pioglitazon wurde NDMA nachgewiesen, Rückrufe gab es aber nicht. Auch Losartan und Ranitidin waren zuletzt mit NDMA verunreinigt.