Merci – Danke fürs Belegesammeln! Laura Schulz, 03.02.2024 08:06 Uhr
Wie kann man Apothekenteams für eine Sache begeistern? Beim GKV-Spitzenverband ist dafür extra eine kleine Arbeitsgruppe zusammengekommen. Einfach mal nachfragen in den Apotheken, womit man ihnen eine Freude machen könnte, geht nicht. Dafür ist das Verhältnis einfach zu schlecht. Noch. Die Kassenvertreter wollen für bessere Stimmung in den Apotheken vor Ort sorgen, um die Beziehung (und auch die Kommunikation der Apotheken mit den Patient:innen über „die bösen Krankenkassen“) zu verbessern. Bloß wie? Eine Feel-Good-Managerin hat die Idee: Schokolade. Das hilft immer!
Apotheken haben gerade genug zu tun, das wissen alle. E-Rezepte, ausfallende Technik, der Krankenstand beim Personal – irgendwas ist immer. Da bei Laune zu bleiben und bei lauter Groll gegen Lauterbach und die Kassen nicht das Handtuch zu werfen, ist nicht immer einfach. Dass die Kassen nun auch noch von den Apotheken verlangen wollen, Einkaufsbelege zu sammeln, damit Rezepturen möglichst kostengünstig (warum geht eigentlich nicht kostenfrei?) hergestellt werden, könnte durchaus für weiter wachsenden Unmut sorgen. Doch jeder weiß: Schokolade macht glücklich. Isso!
Wie bekommen wir also die Apotheken dazu, zu machen, was wir wollen, fragen sich die Kassen. Nachdem in dieser Woche der Streit zwischen den Berufskrankenkassen und der Abda über pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) entbrannte, ist man aber auch in der AG Wirtschaftlichkeit auf den Geschmack gekommen. Klar, die Idee mit dem Schoki-Wettbewerb um Blutdruckmessen ist indiskutabel – von der Wahl der entsprechenden pDL ganz zu schweigen – aber die Apothekenteams stehen anscheinend auf süße Überraschungen. Also warum nicht adaptieren?
Wirtschaftlichkeit – alles was zählt
Es ist also beschlossen: Apotheken, die künftig Rezepturen möglichst punktgenau abrechen, alle Belege, Plausi-Prüfung und allen Pipapo einreichen, haben die Chance, ein großes Paket Schokolade zu gewinnen. Am besten mit Mon Chéri – das muss raus vor dem Sommer – und am besten geht es direkt Montag los. Schließlich wollen die Kassen einen Soforteffekt bei den Rezepturabrechnungen erreichen plus den sofortigen Lerneffekt – schließlich soll das Prinzip der Wirtschaftlichkeit auch nach der Aktion beibehalten werden.
Das Ganze läuft dann aber anders als bei der Abda-Aktion nicht bis Ende Juni. Wer verschickt schon Schokolade im Sommer. und bis dahin ist auch jeglicher Wettbewerb vergessen. Also wird der 14. Februar ausgewählt, Valentinstag, weil die Kassen die Apotheken am Ende des Tages doch eigentlich ganz lieb haben. Schließlich arbeiten diese gerade so viel Dreck weg, gerade jetzt beim E-Rezept.
Dass die Apotheken den Kassen mit ihrer unermüdlichen Arbeit und dem Hang, Fehler zu „heilen“ (klingt auch viel schöner als korrigieren), Millionen ersparen, muss bei der ganzen Aktion aber unerwähnt bleiben. Die Blüten, die diese Info in der Öffentlichkeit treiben könnte, wollen die Kassen dann doch lieber vermeiden. Aber so ein schönes, unauffälliges, aber beliebtes Schokoladen-Paket, das geht. Darin ein Brief, für das ganze Team, denn PTA und PKA werden einfach zu oft vergessen: „Danke, dass ihr euch an das Gebot der Wirtschaftlichkeit haltet. Ihr seid systemrelevant! Danke, dass es euch gibt! Eure Kassen“
Auslegungssache mit Retax-Gefahr
Jetzt aber zurück zur nicht weniger irrwitzigen Realität: Die Barmer hat in puncto Rezepturtaxation eine andere Auffassung als der Deutsche Apothekerverband (DAV) und macht dies in einem Brief deutlich. Anteilig abrechnen und Einkaufsnachweise aufbewahren, lautet die Empfehlung. Der Ausgangspunkt ist eine fehlende Einigung bezüglich der Hilfstaxe Anlage 1 (Stoffe) und 2 (Gefäße). Seit Jahresbeginn herrscht ein vertragsloser Zustand und §§ 4 und 5 Arzneimittelpreisverordnung finden Anwendung.
Gemäß AMPreisV zieht die Apotheke also für den Apothekenverkaufspreis den Apothekeneinkaufspreis der erforderlichen üblichen Abpackung heran, berechnet den realen Einkaufspreis der Packung in voller Höhe und rechnet diesen entsprechend ab. Von anteiliger Abrechnung ist keine Rede. Doch genau diese Auffassung teilen der GKV-Spitzenverband und die Barmer.
„Wir vertreten die Auffassung, dass nur die zur Herstellung der Rezeptur erforderliche Stoffmenge, d.h. nur die anteilige Packung zu Lasten der GKV abgerechnet werden kann“, so die Kasse in einem Schreiben. „Restmengen können für die Herstellung nachfolgender Rezepturen verwendet werden, die Abrechnung als Verwurf ist nicht zulässig“, macht die Barmer klar, verweist auf das Wirtschaftlichkeitsgebot und rät: „Wir empfehlen Ihnen die Einkaufsnachweise für Rückfragen aufzubewahren.“ Und die Verbände befürchten schon jetzt Retaxationen und empfehlen den Apotheken, Rücklagen dafür zu bilden.
Mit Schokolade fängt man PhiP
Unter solch konfusen Bedingungen den Nachwuchs bei Laune zu halten, ist tatsächlich mitunter schwer. Wer will sich das schon antun? So geht es übrigens auch einigen Apotheken bezüglich pDL. Schönes Zusatzangebot und USP der Apotheken vor Ort hin oder her, aber die Zeit und das Personal für die Services müssen die Teams erst einmal freischaufeln. Dass die Rücklagen beim Nacht- und Notdienstfonds (NNF) bisher kaum abgerufen werden, zeigt, dass es entweder in den Apotheken oder bei den Kund:innen an Akzeptanz und Nachfrage mangelt.
Die Abda hat nun also kürzlich eine Kampagne gestartet, um insbesondere Pharmazeut:innen im Praktikum (PhiP) zu animieren, hier stärker tätig zu werden: Besonders Engagierten wird derzeit bis Ende Juni ein süßes Paket für das gesamte Team in Aussicht gestellt. Ausgewählt wurde die pDL „Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“. Dieser Wettbewerb um genau diese pDL sei laut Betriebskrankenkassen völlig fehl am Platz. Besser wäre doch beispielsweise die Wahl der Medikationsanalyse gewesen.
Die Abda verteidigte hingegen die Wahl. Es sei „befremdlich, dass Krankenkassen auf diesen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verzichten wollen“, so Präsidentin Gabriele Regina Overwiening. Sie vermutet hingegen Pfennigfuchserei. Diese sei aber völlig unangebracht, wenn es um wichtige Vorsorge gehe und ergänzt: „Kassenvertreterinnen und -vertreter sollten ihren Tunnelblick verlassen und erkennen, dass sie durch den vermehrten Einsatz der Expertise der Apothekerinnen und Apotheker nicht nur die Versorgung verbessern, sondern auch Geld einsparen."