Direktbezug

Procysbi: Apotheke in der Warteschleife

, Uhr
Berlin -

Wenn teure oder seltene Arzneimittel direkt beim Hersteller bestellt werden müssen, wird es für die Apotheke ärgerlich. Nicht nur, dass die Konditionen mehr als mager sind. Auch der Aufwand macht den Direktbezug unattraktiv. Ein Apotheker aus Nordrhein-Westfalen sollte jetzt ein sechsseitiges Formular erneut ausfüllen, weil der Lieferant einen Fehler gemacht hatte.

Der Apotheker wollte einen Patienten mit 250 Kapseln Procysbi 75 mg (Mercaptamin) versorgen. Das Arzneimittel zur Behandlung der Cystinose kann nicht über den Großhandel bestellt werden. Der Hersteller Horizon liefert sein Präparat über den Vertriebspartner Almac aus. Will man dort ordern, muss bei der ersten Bestellung ein sechsseitiges Formular angefordert werden. Dieses wird dann ausgefüllt und zusammen mit der Betriebserlaubnis an die Firma geschickt.

Obwohl er der Anweisung folgte, wurde dem Apotheker die Belieferung verwehrt. Grund: Das Formular, das ihm zur Verfügung gestellt worden war, enthielt einen Fehler. Auf Seite 3 war als Hersteller noch Raptor genannt. Den Procysbi-Hersteller hatte Horizon im September 2016 übernommen. Er müsse noch einmal das richtige Formular ausfüllen, ansonsten sei eine Belieferung nicht möglich, teilte eine Almac-Mitarbeiterin dem Apotheker mit – in einem unangemessenem Ton, wie er fand.

Dass so rüde mit ihm umgesprungen werde, damit könne er leben, sagt der Pharmazeut. Nicht akzeptabel sei jedoch, dass der Hersteller die Belieferung unnötig verzögere. Kunden- und patientenorientiertes Verhalten stelle er sich anders vor. Mit diesen Vorwürfen wandte sich der Rheinländer an Horizon – und bat um eine vernünftige Bearbeitung des Vorganges. Die Versorgung des schwerkranken Patienten solle nicht weiter durch lächerliche Formalitäten behindert werden. Bis dato hatte es ja keine Beanstandung bei anderen Bestellungen gegeben. Er beschwerte sich – und erfuhr schnelle Hilfe. Der Außendienstmitarbeiter stand binnen kürzester Zeit in der Apotheke und regelte alles.

Verordnet waren vier Packungen zu je 250 Kapseln. Patienten dosieren das Arzneimittel nach Quadratmetern Körperoberfläche (1,3 g/m2), daher müssen bis zu 20 Kapseln pro Tag eingenommen werden. Die Gabe der magensaftresistenten Kapseln erfolgt zweimal täglich alle zwölf Stunden. Eine Packung kostet etwa 7180 Euro. Während der Lieferung von Procysbi ist die Kühlkette einzuhalten. Die Lieferung erfolgt von Montag bis Mittwoch. Wird bis 12 Uhr bestellt, erreicht das Medikament die Apotheke noch am nächsten Tag.

Procysbi enthält den gleichen Wirkstoff wie das Referenzprodukt Cystagon (Orphan). Wegen der abweichenden Formulierung wird das Präparat aber nicht als Generikum, sondern als Hybrid-Arzneimittel eingestuft. Procysbi hat im September 2010 den Status Orphan drug erhalten. Der auch Cysteamin genannte Wirkstoff reagiert mit Cystin, einem durch eine Schwefelbrücke entstandenen Dimer der Aminosäure Cystein, das bei Erkrankten nicht aus den Lysosomen abtransportiert werden kann. Die Umwandlung zur Aminosäure Cystein beziehungsweise einem entsprechenden Cystein-Cysteamin-Salz kann der Körper aus den Zellen entfernen kann.

Cystinose ist eine seltene hereditäre Stoffwechselkrankheit. Betroffene werden systemisch und lokal mit dem Wirkstoff Cysteamin behandelt. Weltweit wird die Zahl der Erkrankten auf 2000 Menschen geschätzt. Werden die Patienten nicht mit dem Arzneimittel versorgt, sammelt sich Cystin beispielsweise in der Niere oder den Augen an und lagert sich in Form von Kristallen ab.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Krebspatient holt Rezept wieder ab
Jaypirca: Lilly lässt Apotheker hängen
Neue Nische für Zwischenhändler
Skonto über Großhandelsapotheken?
Veränderungen durch Skonto-Urteil
Direktbestellung oder Großhandelsbezug?
Mehr aus Ressort
ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick
ePA: e(inreichen) P(apier) A(potheke)
Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken
OTC-Rezept: Kasse zahlt Botendienst nicht

APOTHEKE ADHOC Debatte