Mehrbesitzverbot

Online-Apotheken als versteckte Kette

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Berlin -

Der Wettbewerb unter Versandapotheken spielt sich maßgeblich über den OTC-Rabatt ab. Entsprechend wichtig ist das Ranking in Preisvergleichsportalen wie Medizinfuchs. Noch besser als Platz 1 ist aus Sicht einiger Anbieter offenbar Platz 1 bis 5. Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hat sich mit einem solchen Fall von „Listenbesetzung“ befasst, wenigstens indirekt. In ihrer Urteilsbegründung beschäftigen sich die Richter auch mit der Frage, ob mehrere Domains einer Versandapotheke nicht gegen das Mehrbesitzverbot verstoßen.

Die klagende Versandapotheke betreibt mehrere Internetseiten, was in der Branche durchaus üblich ist. OTC-Präparate wurden zu leicht abweichenden Preisen in den jeweiligen Shops gelistet. Weil die Angebote jeweils sehr gut waren, tauchte der Anbieter bei Medizinfuchs unter den acht besten Plätzen fünfmal auf.

Der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) sah darin einen Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Der Versender behindere gezielt seine Mitbewerber, so der Vorwurf. Die Versandapotheke wurde abgemahnt und gab eine selbst verfasste Unterlassungserklärung ab.

An diese wollte sich der Versender aber später nicht gebunden wissen und klagte seinerseits: Der monierte Verstoß gegen das UWG liege gar nicht vor, der VSW habe die Versandapotheke arglistig getäuscht. Diese wollte die Unterlassungserklärung kündigen und sich gerichtlich von der Vereinbarung loseisen. Wie die Vorinstanz entschied auch das OLG gegen den Versender. Das Verfahren ist damit abgeschlossen.

Das OLG musste sich eigentlich nicht mit der Frage befassen, ob die Abmahnung berechtigt war. Schließlich hatte die Versandapotheke selbst eine Unterlassungserklärung abgegeben. Deren Bindung entfällt grundsätzlich nur in besonderen Fällen – wenn sich etwa die Rechtslage gravierend ändert. Ohne guten Grund kann man nicht gegen eine abgegebene Verpflichtung klagen.

Dennoch hat sich das Gericht mit den Vorwürfen des VSW befasst, welche die Abmahnung nachvollziehbar erscheinen ließen und den Vorwurf der bewussten Täuschung entkräfteten. So sei in anderen Fällen das Abfangen von Kunden als unlauter angesehen worden, wenn sich der Werbende zwischen den Konkurrenten und den Kunden stellt. „Diesen körperlichen (analogen) Dazwischentreten können digitale Manipulationen vergleichbar sein“, so das Gericht.

Unzulässig ist es demnach, wenn ein Anbieter bewusst Suchmaschinen mit eigenen Angeboten flutet und auf den ersten Blick nur noch Angebote dieses Unternehmens angezeigt werden. Als Faustformel gelte: „Dem Markt hilft es, wenn die Aufmerksamkeit auf weitere Informationen hingelenkt, es hilft ihm nicht, wenn die Aufmerksamkeit von Informationen abgelenkt wird.“

Die Versandapotheke habe ihr Angebot unter verschiedenen Domains künstlich vervielfältigt. Da dieses Angebot in der Liste der Suchergebnisse ganz oben und mehrfach auftauche, würden Kunden mit höherer Wahrscheinlichkeit immer zu demselben Anbieter geleitet.

Hier schließt das OLG seine Überlegungen zum Mehrbesitzverbot an: Diese „vorgetäuschte Anbietervermehrung“ erscheine auch deshalb bedenklich, da Apotheker neben ihrer Hauptapotheke nur drei Filialen betreiben dürften. „Das Gesetz will verhindern, dass ein Apotheker (wirtschaftlich) eine Apothekenkette eröffnet und unterhält“, so das OLG. Wenn aber Versandapotheker mit mehreren Onlineshops seine Chancen erhöhe, die Nachfrage abzufischen, „nähert sich dieses Vermarktungskonzept der Unterhaltung einer Apothekenkette an.“

Dieses Vorgehen zu Ende gedacht, würde laut OLG jeder Wettbewerber immer mehrere Domains mit identischen Angeboten generieren, nur um im Wettlauf um die vorderen Plätze im Ranking der Suchmaschine dabei zu sein. Die Folge: „Die Suchmaschinen werden geflutet mit einer Fülle von scheinbar unterschiedlichen Anbietern.“ Durch eine solche „Angebotsverstopfung“ werde die Informationsfunktion solcher Internetportale unterlaufen, „gar lahmgelegt im Sinne eines reinen Ellenbogenwettbewerbs“, heißt es im Urteil.

Da die Versandapotheke bewusst mehrfach im Netz aufgetreten war, halten die Richter auch die Abmahnung nicht für vollkommen aus der Luft gegriffen. Damit wurde die Klage gegen die Unterlassungserklärung abgewiesen, ohne dass die Richter in der Sache entschieden hätten.

Die Versandapotheke habe nicht bewiesen, dass sie durch die Abmahnung getäuscht worden sei, entschied das Gericht. Anhaltspunkte für eine Arglist des VSW seien erst recht nicht zu sehen. Bei der Abmahnung handele es sich um eine Rechtsbewertung des Wettbewerbsverbands, nicht um eine verbindliche Rechtsposition. Das müsse jedem Händler klar sein, so die Richter.

Unberechtigt abgemahnt zu werden, gehört laut Urteil zum allgemeinen Lebensrisiko. Es sei Sache des Händlers, sich über die Rechtslage zu vergewissern, „statt blindlings den Aussagen zu folgen“. Eine abgegebene Erklärung kann als Vertrag zwischen den Beteiligten nicht mehr nachträglich einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden. Vereinfacht: Die Wirtschaft ist selbst verantwortlich, selbst wenn eine Partei dadurch rechtlich benachteiligt wird.

In diesem Fall hatte die Versandapotheke sogar selbst eine Unterlassungserklärung verfasst, wusste laut Gericht also sehr genau, worauf sie sich einließ. Ein gerichtliche Überprüfung der Vorwürfe wäre möglich gewesen, wenn der Versender nichts unterschrieben und seinerseits auf eine Klage des VSW gewartet hätte.

Dass die Versandapotheke aufgrund der „ein-Preis-eine-Domain-Regel“ jetzt im Wettbewerb selbst ins Hintertreffen geraten könnte, spielt laut dem OLG für die Unterlassungserklärung ebenfalls keine Rolle. Bei den angeführten Beispielen seien es überwiegend nur zwei Domains und nicht fünf. Außerdem sei offen, ob dieses Vorgehen unbeanstandet bleibe.

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